OFFENE STADTGESELLSCHAFT

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„Städte sind die Orte, an denen wir uns versammeln, wo Demokratie entsteht und wo wir gemeinsam gegen diejenigen, die uns die Freiheit nehmen wollen, demonstrieren.“ (Benjamin Barber)

Die Probleme der Welt im Großen wie im Kleinen lassen sich vor Ort nicht leugnen oder verdrängen. Die Covid-19-Pandemie, der russische Angriffskrieg oder der Nahostkonflikt sind Belege, dass globale Ereignisse ganz konkret bei uns in der Stadt ankommen. Und   diese gerade auch lokale Lösungen brauchen. Hier ist nicht nur die kommunale Politik gefragt: Die Probleme vor Ort müssen wir alle zusammen anpacken.

Unsere Stadtgesellschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert – zum Guten. Diese Entwicklung teilt Karlsruhe mit vielen Orten auf der Welt: Liberale Städte garantieren uns wichtige Dinge wie Freiheit, Vielfalt oder sexuelle Selbstbestimmung. Stadtgesellschaften, die Diversität akzeptieren und diverse Menschen bei ihren Lebensentwürfen unterstützen, sind besser auf Herausforderungen vorbereitet. Auch wer Queer-Sein für sich selbst ablehnt, wird feststellen: Bei vielen unterschiedlichen Ansätzen entstehen mehr Lösungswege. Daher ist es wichtig, dass die Stadt Treffpunkte für queere Menschen fördert.

Entstanden ist eine Gesellschaft, die bunt und tolerant ist. Die gefällt nicht jeder und jedem; eine freie Gesellschaft bedeutet aber auch, dass solche anderen Lebensmuster alle „ertragen“ müssen. Eine funktionierende demokratische Gesellschaft gönnt – aus welchem Kulturkreis auch immer – dem anderen seinen ganz eigenen Lebensentwurf:    Diskriminierung, Rassismus und Intoleranz haben in Karlsruhe keinen Platz.

Selbständig in Europa

Die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung legt Grundsätze zur Sicherung der politischen, administrativen und finanziellen Selbständigkeit der Kommunen fest. Die KAL unterstützt das: Denn in Städten und Gemeinden leben die Menschen ihren Alltag. Hier kann die Kommunalpolitik schnell und sachgerecht auf Probleme reagieren.

Die KAL schließt sich der Forderung der kommunalen Spitzenverbände wie dem Deutschen Städtetag an: Um diese Gestaltungsmöglichkeit dauerhaft sicherzustellen, muss eine zukunftsfähige europäischen Verfassung zwei wichtige Grundsätze enthalten:

Kommunen haben bei der Lösung von Problemen Vorrang vor Land und Bund.  Die übergeordneten Stellen müssen hierbei unterstützen (Subsidiaritätsprinzip). Wer bestellt, bezahlt! Aufgaben- und Finanzverantwortung gehören zusammen (Konnexitätsprinzip).

Diese Grundsätze sind zwar in der Europäischen Charta angelegt, aber noch nicht rechtlich verbindlich umgesetzt. Immer wieder übernehmen Kommunen Pflichtaufgaben, die ihnen von Bund und Land auferlegt werden, ohne vollumfänglich finanziell entlastet zu werden. Zum Beispiel bei der Kinderbetreuung oder bei der Aufnahme von Geflüchteten.

Grundsätzlich hat die Europäische Rechtsetzung große Auswirkungen auf Städte und Gemeinden. Denn der Großteil der europäischen Regelungen landet früher oder später in nationalen Gesetzen und Verordnungen. Für die Kommunen bedeutet das: Sie müssen immer mehr europäische Richtlinien und Verordnungen umsetzen, ohne an deren Zustandekommen beteiligt zu sein. Die Stadt Karlsruhe muss über den Deutschen Städtetag und europäische Netzwerke auf unsere Regierungen einwirken.

Denn Städte sind die Zentren, die Europa zusammenhalten und in denen Europa gelebt wird. Nur in der gelebten Nachbarschaft kann das Zusammenleben in unserem Gemeinwesen gelingen. Die KAL steht daher klar zum Friedensprojekt Europa. Nur dank der Europäischen Einigung konnte sich unsere Gemeinschaft von dem Leid und der Zerstörung loslösen, die der Nationalismus diesem Kontinent bis heute zufügt.

Nach dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ist die Europäische Union nach innen wie nach außen der wichtigste Schutzschild unserer freiheitlich-demokratischen Grundrechte. Wir von der KAL sagen: Die Städtepartnerschaft mit der Stadt Winnyzja ist ein Baustein der so wichtigen Unterstützung der Ukraine.

Die KAL will den europäischen Gedanken in allen Bereichen der Stadtgesellschaft sichtbar machen. Daher setzen wir uns für mehrsprachige Kitas ein. Die KAL hat den erfolgreichen Antrag gestellt, den Europatag in Karlsruhe in besonders würdiger Weise zu feiern: Seither werden öffentliche Gebäude am 9. Mai mit der Europafahne beflaggt und ist der Marktplatz an diesem Tag ein Treffpunkt des europäischen Gedankens.

Kommunale Außenpolitik

Die globalen Herausforderungen werden in den Städten und Gemeinden verstärkt wahrgenommen. Die Kommunen reagieren darauf mit einer zunehmend internationalen Vernetzung und einer Neubestimmung der kommunalen Zusammenarbeit. Wo immer es geht, unterstützt die Karlsruher Liste diese Vernetzungen auf europäischer und weltweiter Ebene. Hierzu zählt besonders das Städtenetzwerk Eurocities, dass über 200 Städte aus 38 europäischen Ländern vertritt.

Städtepartnerschaften sind ein wichtiger Teil der Friedenssicherung. Seit den ersten Kontakten zwischen Karlsruhe und Nancy im Jahre 1955 arbeiten die beiden Städte an Aussöhnung, Verständigung und Erfahrungsaustausch. Die Jugendbegegnungsstätte Baerenthal ist Symbol dieser Aussöhnung und Freundschaft. Vor allem junge Menschen erfahren hier ganz konkret deutsch-französische Freundschaft. Auch die Partnerschaft mit Nottingham steht für Aussöhnung und für die Überwindung von Grenzen in Europa: Die KAL setzt sich trotz Brexit für eine Wiederbelebung dieser Freundschaft ein.

Die Partnerschaften mit Halle, Temeswar und Krasnodar überwanden vor Jahren den eisernen Vorhang. Nach dem Fall der Mauer, dem Wandel der osteuropäischen Staaten und der Osterweiterung der Europäischen Union schien auch im Osten Europas ein dauerhafter Frieden möglich. Stadträte der KAL haben sich aktiv in diesen Prozess eingebracht.

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Mit der trinationalen Städtepartnerschaft zwischen Krasnodar, Nancy und Karlsruhe verbanden wir die Hoffnung, dass sich die Beziehungen zu Russland ähnlich positiv wie die zu Frankreich entwickeln würden. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine machte diese Hoffnungen vorerst zunichte. Die offizielle Städtepartnerschaft mit Krasnodar liegt auf Eis. Die KAL hat sich als deutliches Signal der Solidarität mit der Ukraine klar für eine Partnerschaft mit der ukrainischen Stadt Winnyzja eingesetzt. Und wir hoffen, dass wir nicht nur bald ein freies Winnyzja im Frieden besuchen, sondern auch wieder Kontakte in ein offenes und friedfertiges Krasnodar aufnehmen können.

Schon vor Jahren war für die KAL klar, dass wir eine Hand in die islamische Welt reichen müssen. Wir beantragten deshalb eine Partnerschaft mit einer türkischen Stadt, was auch gelang. Die politische Lage in Van ist allerdings unter den aktuellen politischen Gegebenheiten in der Türkei – Stichwort Erdogan-Regierung – sehr schwierig. Demokratische und zivilgesell-schaftliche Akteure werden verfolgt und verhaftet, verschwinden spurlos oder müssen ins Ausland fliehen, so auch die gewählte Oberbürgermeisterin Vans. Die KAL setzt sich dafür ein, dass die Stadt Karlsruhe klar Stellung für die verfolgten demokratischen Akteure bezieht.

Geflüchtete in Karlsruhe

Die KAL hat sich zur Aufgabe gesetzt, den „Leisen“ eine Stimme zu geben. Hierzu gehören auch Geflüchtete, die unseren besonderen Schutz brauchen. Geflüchteten Menschen in Karlsruhe und Umgebung eine Zukunft zu ermöglichen, ist daher seit langen Jahren Teil der politischen und ehrenamtlichen Arbeit vieler Aktiver der Karlsruher Liste. Vor allem in Zusammenarbeit mit der Karlsruher Flüchtlingshilfe e.V. konnten wir 2015 und 2022 unsere Kontakte und unsere Erfahrung mit der Stadtverwaltung einbringen, um dringende Probleme bei der Registrierung und Unterbringung von Geflüchteten zu lösen.

Wegen der großen Fluchtbewegung aus der Ukraine hat Karlsruhe die Verpflichtung, ein bestimmtes Kontingent ukrainischer Geflüchteter dauerhaft aufzunehmen und zu integrieren.

Mit Beginn des russischen Angriffskrieges unterstützten KAL-Aktive daher täglich über mehrere Monate die Flüchtlingshilfe Karlsruhe in der Zusammenarbeit mit der Sozial- und Jugendbehörde. So wurde einer Vielzahl von Ukrainerinnen das Ankommen in unserer Stadt erleichtert. Wir freuen uns, dass diese Arbeit dazu beitragen konnte, dass in Karlsruhe keine Turnhallen zu Flüchtlingsunterkünften wurden. Und das muss auch so bleiben.

Wir setzen uns dafür ein, dass sich der Arbeitsmarkt allen Menschen, die Schutz und Arbeit in Deutschland suchen, unkompliziert öffnet. Geflüchtete brauchen eine positive Bleibeperspektive und eine schnelle Integration in unsere Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt. Wir in Karlsruhe profitieren von zugezogenen Arbeitskräften, insbesondere von gut ausgebildeten Fachkräften.

Vor allem das Erlernen der deutschen Sprache ist Grundlage einer gelungenen Integration. Wir unterstützen daher weiterhin die Arbeit von Einrichtungen wie der Lernbox der Flüchtlingshilfe, des Deutsch-Ukrainischen Vereins, der Integrationsprojekte der Jüdischen Gemeinde oder des Lernfreundehauses, welches sich speziell um geflüchtete Kinder kümmert.

Solidarität mit dem globalen Süden

Karlsruhe und den Menschen hier geht es in weltweitem Vergleich hervorragend. Der Klimawandel verschärft die Probleme im globalen Süden, was wir auch an den vielen Flüchtenden aus Nordafrika und der Sahelzone spüren. Globale Solidarität tut Not, gerade auch zwischen wohlhabenden Städten wie Karlsruhe und Städten in Afrika oder in Lateinamerika.

Die KAL unterstützte daher von Anfang an die erste Klimapartnerschaft mit dem Kanton Los Bancos in Ecuador. Dort pflanzen Einheimische unter anderem für den Klimaschutz Bäume im Nebelwald. Und die am Zoo Karlsruhe angesiedelte Artenschutzstiftung kümmert sich um bedrohte Arten und Lebensräume dort und in Afrika. Gerade unser Nachbarkontinent braucht unsere Solidarität – Begegnungen auf Augenhöhe mit wechselseitigem Austausuch. Die KAL steht voll hinter dem Beschluss des Gemeinderates, eine Projektpartnerschaft auch mit einer geeigneten Stadt in Ostafrika zu begründen. In der kommenden Legislaturperiode muss das auch gelingen.

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