Haushaltsrede Doppelhaushalt 2009/2010

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Ein wichtiger Antrieb für Kommunalpolitik ist der Wunsch, dass die Stadt ein gutes, ja sehr gutes Bild abgibt: Bei Einwohnern wie bei Besuchern, unabhängig von deren Sozialstatus.

Der erste Eindruck einer Stadt sind deren Zufahrten. Egal ob Sie als Tourist oder Pendler kommen: Der Stadteingang macht Ihnen Lust auf diese Stadt oder auch nicht. Wir haben in Karlsruhe in den vergangenen Jahren viel für unsere Stadteingänge getan. Ich erwähne nur Brauerboulevard oder Ludwig-Erhard-Allee. Da ist Großstadt spürbar. Aber es gibt auch noch einige Baustellen und zudem Orte, wo endlich eine Baustelle entstehen sollte.

Durch diese Baustellen und Orte will ich in meiner Haushaltsrede führen. Ich bitte Sie dabei, das Wort „ORT“ nicht nur als räumlichen Begriff zu sehen. Zugänge zur Stadt gibt es nicht nur in der Stadtplanung. Und „Lust auf Karlsruhe“ machen nicht nur Gebäude und Stadträume.

Mit der Durlacher Allee fange ich an. Seit der Gaskessel abgerissen wurde, fehlt der Autobahnausfahrt Durlach ein Erkennungszeichen für „Karlsruhe“!

Ab der Autobahn führt diese relativ baumarme Allee weder in Richtung Durlach, noch in Richtung Oststadt sofort in begeisternde Gegenden. Für die Mixtur aus großen Einzel­handelsgeschäften, leeren Parkplätzen, vereinzelten Gebäuden, dazwischen mal Kleingärten, Gewerbe und ähnlichem verwenden manche Stadtplaner den Begriff „Plankton“: treibt im Meer der Stadt, ohne Halt und ohne Struktur. Ein attraktiver Stadteingang sieht jedenfalls anders aus.

Wie könnte der Eingang denn aussehen? Zum Beispiel mit einer bemerkenswerten Architektur für eine zukunftsträchtige Nutzung auf dem Gleisdreieck, also auf dem ehemaligen Gleisbauhof der Bahn. Das kann ein Stadion sein, muss es aber nicht. Auf jeden Fall so, dass Autobahnfahrern, B10-Benutzern und den ICE- und TGV-Fahrgästen aus Norden kommend wieder wie früher klar wird: Hier ist Karlsruhe! Da will ich hin. Oft wird für so ein Gebäude der Begriff Leuchtturm verwendet. Ich ziehe den Begriff „Zeichen“ vor.

Der Parkplatz nördlich der Durlacher Allee, westlich von Mann Mobilia braucht dringend eine Randbebauung. Und wenn wir stadteinwärts unter der DB-Hauptstrecke durchkommen, bei aller Liebe zur Mess: Kann der Platz gegenüber Karlsruhes größter Konzernzentrale auf Dauer Messplatz heißen und vor allem für Autoverkäufe dienen? Muss die Aufgabe der Stadtplanung nicht lauten: Findet einen neuen Messplatz! Für die Mess’, für Zirkus und ähnliches. Die Raumnot der EnBW und der sich entwickelnde Alte Schlachthof machen diese Herausforderung noch dringlicher.

Denn nach dem Messplatz kommt die Zukunftschance der Stadt: die Kulturinsel Ostaue, der Alte Schlachthof. Hier liegt der Nährboden für die Boomwirtschaft von morgen, für die so genannte Kreativwirtschaft. Hier sollen sich Kultur und kulturnahes Gewerbe treffen. Die passenden Wirtschaftsunternehmen mit neuen Medien oder mit neuen kreativen Technologien lassen sich mit Einrichtungen für die Lehre verzahnen: etwa mit der Musikhochschule und möglicherweise einem Musik-Gymnasium.

Zuständig ist hier die Fächer GmbH. Aus der vergangenen Haushaltsrede der KAL muss ich einen Satz wiederholen: „Dafür braucht die Fächer GmbH aber deutlich mehr finanzielle Mittel.“ Eine kräftige Anschub­finanzierung ist unabdingbar. Denn eine schnelle Verzinsung des angelegten Kapitals ist nicht zu erwarten. Viel Zeit wurde schon vertan; mögliche Investoren und Nutzer aus der kreativen Wirtschaft wurden verprellt – wegen zu hoher und zu schneller Erwartungen an einen return of invest. Ein Paradigmenwechsel in der Verwaltung hierzu ist überfällig.

Das Tollhaus und der Jazzclub auf diesem Areal strahlen bereits als Leuchtfeuer, eine echte Visitenkarte der Stadt. Für den Ausbau der Vorzeigeeinrichtung Tollhaus mit überregionaler Ausrichtung und für den Umbau der Schlachthalle zum neuen Substage müssen wir leider mehr Investitionsmittel als 2007 erwartet einsetzen. Grund: Vor allem Lärmschutzauflagen und schlechter Untergrund im ehemaligen Viehhof. Ohne diese Ankerbetriebe ist aber aller Kreativpark Schall und Rauch.

Soweit zur Oststadt. Ähnlich faszinierend und Lust-auf-Karlsruhe-machend kann im Westen eine tolle Brücke über die Rheinhafenmündung werden. Eine Brücke mit einer wichtigen Funktion; denn sie schlösse eine Lücke im Radwegenetz der PAMINA, zwischen Landschaftspark Rhein und Rappenwört. Wahrnehmbar wäre die Brücke nicht nur von Radwanderern, von der MS Karlsruhe oder von Rheinschiffen, die nach Karlsruhe kommen. Auch von der Bundesbahnbrücke und von der B10-Brücke bei Maxau hat man beste Sicht auf ein Bauwerk über der Hafenmündung.

Auch bei diesem möglichen architektonischen Zeichen hat die Energie Baden-Württemberg Aktien im Spiel. Als Anrainer auf der Südseite der Hafenmündung und Profiteur von der Zustimmung der Stadt Karlsruhe zum Ausbau der Kraftwerke stände ihr eine finanzielle Unterstützung dieses Brückenprojekts gut zu Gesicht.

An dieser Stelle noch ein Wort zu einem so genannten Stadteingang, der hoffentlich nie einer wird: zu der von der Pfalz und unserem Bundesland immer noch geplanten zweiten Rheinbrücke. Hierzu nur eine Überlegung: Knielingen ist der Karlsruher Vorposten im Westen. Viel hat man diesem ältesten Stadtteil zugemutet. Nirgendwo gibt es mehr Industrie und Lärm und Abgase. Diesem Stadtteil noch eine zweite Fernverbindung aufzudrücken, wirkt grotesk. Die Verkehrsprobleme von Rheinland-Pfalz am Wörther Kreuz sollen auf dem Rücken und in den geplagten Ohren der Knielingerinnen und Knielinger ausgetragen werden. Ich habe dem Bundesverkehrsminister hierzu einen Brief geschrieben. Seine Antwort nach sechs Wochen – bisher keine. Auch eine Antwort.

Ganz vorsichtig, auch wenn ich mich vor ein paar Tagen mächtig geärgert habe, formuliere ich in diesem Zusammen­hang: Landesbeamte, die niemals den Dialog mit den Betroffenen direkt geführt haben und wohl auch nicht führen wollen, sollten sich mit Ratschlägen zurückhalten. Wer nur mit Ministern, Oberbürgermeistern und Landräten spricht, gerät in Gefahr, die Neureuter, die Nordweststädter, die Heide-Bewohner, Nordstädter, Kirchfeldsiedler und viele mehr aus den Augen zu verlieren.

Wenn der Betreffende dann auch noch falsche Zahlen zur zukünftigen Verkehrsbelastung von Rheinbrücke und Südtangente zitiert, dann wird es auch noch peinlich.

Wir von der Karlsruher Liste machen uns lieber stark für die laufende Unterhaltung und Sanierung der bestehenden Brücke. Das Regierungspräsidium muss endlich einen Sanierungsplan vorlegen, der auch ohne zweite Kfz-Brücke in Karlsruhe funktioniert!

Wir machen uns stark für eine Überwachung der Geschwindigkeits­begrenzung für Lkw.

Denn die setzen der Brücke am stärksten zu.

Wir machen uns stark für eine Sperrung der Außenspuren in den Zeiten außerhalb der Verkehrsspitzen. Denn dort schädigen die überladenen 30-Tonner das Bauwerk an der heikelsten Stelle.

Am liebsten wäre uns dann noch eine LKW-Maut auf der Südtangente.

Damit gar nicht so viele Pendler und Einkaufswillige auf ihren eigenen vier Rädern über die Brücke rollen, möchten wir eine Ausweitung der KVV-Tarifzonen für Karlsruhe über den Rhein. Plus einen 10-Minuten-Takt bis Wörth-Bahnhof, so wie nach Ettlingen. Ergebnis: Alle 20 Minuten fährt die S5 von Wörth in die City, alle 20 Minuten an den Karlsruher Hauptbahnhof.

Kommen wir dagegen zukünftig von Südwesten, über die B36 nach Karlsruhe, dann hat dieser Gemeinderat derzeit noch eine gute und eine schlechte Option. Ich beschreibe nur die gute Option: Wir können mit einer Ablehnung zum Edeka-Fleischwerk im Nachbarschaftsverband erreichen, dass sich hinter der attraktiven Messe kein Fabrikklotz vor den südlichen Hardtwald schiebt. Es bliebe ein spannender Stadteingang.

Das würde Lust machen auf Demokratie, die trotz aller zähen Debatten die beste aller Staatsformen ist. Wir würden erreichen, dass sich die Bewohner der Heidenstückersiedlung, aus Daxlanden, Rheinstrandsiedlung, Grünwinkel und Oberreut von diesem Karlsruher Gemeinderat vertreten fühlen und am 7. Juni mit Freude zur Urne schreiten.

Ortswechsel:

Im Nordosten der Stadt arbeitet dieses Haus an einer Lösung für Hagsfeld. Da könnte ebenfalls Lust auf Demokratie, Lust auf den Gemeinderat entstehen. Der von Ihnen, Herr Oberbürgermeister, in Ihrer Haushaltsrede aufgegriffene KAL-Vorschlag, statt dem Monsterbauwerk Nordtangente die Südspange Hagsfeld von der Autobahnausfahrt-Nord bis zur Haid-und-Neu-Straße zu verwirklichen, macht Sinn. Das würde einen echten Stadteingang schaffen, etwa zum Technologiepark. Das würde die L560 und die B10 verbinden. Das würde wieder Lust auf Stadt machen.

Jedes weitere Straßenstück dagegen wäre Stückwerk, wäre Asphalt-Plankton: ohne Halt und ohne Struktur. Zudem weder Landes- noch Bundesaufgabe, also kommunal zu finanzieren. Nicht zuletzt wäre eine solche Nordtangente im Schafspelz eine massive Belastung für die nordöstlichen Stadtteile.

Ortswechsel:

Von Süden bringt die Herrenalber Straße Albtal-Bewohner nach Karlsruhe. Hier wird es Zeit, im Jahr 2009 mit dem lang geplanten Verkehrsversuch endlich zu zeigen, dass drei Fahrspuren plus Radweg plus mehr Bäume plus Tempo 50 erstens einen attraktiveren Stadteingang ergeben. Zweitens würde diese Straße für die Anwohner in Rüppurr, Gartenstadt und Dammerstock wieder ruhiger und lebenswerter.

Ein ganz anderer Eingang ins Stadtleben ist die Chance für jeden Karlsruher, am Sport, an der Kultur, an den Angeboten von Europabad bis Zoo teilhaben zu können. Zu diesen Angeboten gehören auch Maßnahmen und Projekte gegen Kinderarmut oder für bessere Bildungschancen.

Teilhabe darf nicht am Geldbeutel scheitern. Dieser Gedanke bewegt meine Fraktion seit Jahren. Wegen dieser solidarischen Pflicht unserer städtischen Bürgerschaft haben wir immer auf dem Karlsruher Pass bestanden. Umso glücklicher sind wir jetzt, dass dieses Haus den Pass wieder einführen will. Auch so etwas macht Lust auf demokratische Strukturen.

Gar keine Lust auf Demokratie hat aber offensichtlich die Mehrheit hier im Haus beim Thema „Urwahl des Ausländerbeirats“. Wie einst der Markgraf seine Gremien nach Gusto besetzte, so wollen CDU und SPD das jetzt auch halten. Statt darüber nachzudenken, wie man die Wählerbeteiligung steigern könnte.

Mögliche Maßnahmen: Mehr echte Rechte für das Gremium Ausländerbeirat. Mehr Verzahnung mit unseren gelebten demokratischen Strukturen. Und schließlich etwas, was wir EU-Bürger mit Blick auf den 7. Juni auch tun werden: Wahlkampf. Mit Plakaten, mit Podiumsdiskussionen, mit Streitgesprächen, mit all dem, was zur demokratischen Auseinandersetzung gehört.

Zurück zum Zugang in die Stadtgesellschaft: Für Jugendliche ist gute, ja hervorragende Schulbildung in jedem Schultyp und in jedem Stadtteil der entscheidende Faktor: Gehöre ich dazu oder bin ich draußen.

Schulgebäude sind eine Voraussetzung für Unterricht. Wir wissen, dass einige Schulen in Karlsruhe zu klein, veraltet, schlecht isoliert und für einen modernen Unterricht nur mit großem Einsatz nutzbar sind. Aber der Vergleich mit anderen Städten fällt zugunsten von Karlsruhe aus. Denn dieser Gemeinderat hat schon große Anstrengungen unternommen, den Sanierungsstau zu beseitigen und die Schulen zu modernisieren.

Dies sage ich deutlich in Richtung vieler Nörgler. Ganz besonders schlimm treibt es die PDS, also die Linke. Auch mit politischem Aschermittwoch ist nicht zu entschuldigen, wenn sie in diesem Hause und außerhalb behauptet, in Karlsruhe würden nur Prestigeprojekte subventioniert, für Schulen und Kitas sei kein Geld vorhanden. Bitte nehmen Sie das zurück.

Die Wirklichkeit sieht nämlich anders aus. „Die Prioritätenliste der Schulbauvorhaben ist lang“, sagte meine Stadtratskollegin Margot Döring in der Rede zum Doppelhaushalt 2007/2008. Mit Freude halten wir fest: Es wurde einiges im vergangenen Haushaltszeitraum abgearbeitet.

Und im jetzt vorliegenden Doppelhaushaltsentwurf geht es weiter, liebe Bürgerinnen und Einwohner von Karlsruhe! Lassen Sie sich von Nörglern und Unwissenden nicht den Kopf verdrehen.

Nur die Planung für das Fichtegymnasium kam 2007 zu spät und damit diese Schule zu kurz. Ab 2009 muss und wird dort endlich ausgeschrieben und gebaut werden!

Was die Stadt allerdings nicht regeln kann, ist die Qualität der Schulausbildung. Dazu gehören genügend und vor allem gute Lehrer, engagierte Eltern sowie Schülerinnen und Schüler, die sich mit ihrer Schule identifizieren. Das alles gibt es in der Uhlandschule. Einen wunderschönen Schuleingang gibt’s dort auch noch. Und eine Mensa und vieles mehr an guter „Hardware“. Ausgerechnet diese Schule sollte geschlossen werden.

Ich persönlich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, dass die Südstadt ihre Hauptschule behalten kann. Ich bin froh, dass durch den Diskussionsprozess in der Schulwelt jetzt grundsätzlich zusätzliche Schulformen für die Südstadt gedacht und hoffentlich auch umgesetzt werden.

Bedanken will ich mich an dieser Stelle bei all denen, die sich in das Projekt „Uhlandschule muss bleiben“ eingebracht haben. Ganz besonders bei den Eltern, vor allem bei den Müttern. Viele von ihnen haben als Zuwanderer nicht denselben Zugang zu Beteiligungsprozessen wie die deutschen Bürger. So ein positives Ergebnis macht Lust auf Stadt, macht Lust auf Demokratie.

In der Südstadt gibt es noch ein anderes Problem: die Straßensozialarbeit. Mit dem Werderplatz verbinden wir die erfolgreiche Arbeit mit den Menschen, die sich dort aufhalten, unter denen es auch Obdachlose gibt. Diese Aufgabe wurde von politischer Seite als notwendig angesehen – und es ist sinnvoll, sie fortzuführen. Das Problem ist leicht zu lösen: Die Stadt muss nur den bisher vom Europäischen Sozialfonds ESF übernommenen Anteil finanzieren.

An dieser sozialen Stelle will ich auch noch einen unscheinbaren Stadteingang zwischen Büchig und Hagsfeld ansprechen. Großstadt wird sich nahe des Reitschulschlags Gott sei Dank nicht entwickeln.

Dafür entwickelt sich dort der Landfahrerplatz positiv. Dort sollten wir lieber Geld für Kinder als für Platzsanierung ausgeben. Eine Untersuchung hat gezeigt, welche Wege möglich sind, die sozialen Verhältnisse dort zu verbessern. Besonders den Kindern soll damit die Chance gegeben werden, durch Bildung und soziales Lernen die Wahlfreiheit zu haben, wie sie ihr künftiges Erwachsenenleben gestalten wollen.

Überhaupt sollten Erfolgsmeldungen nicht zu kurz kommen: Die Verbesserung des sozialen Karlsruher Klimas in den vergangenen Jahren gelang mit Hilfe des Gemeinderats. Ich erwähne nur die steigende Zahl von barrierefreien Zugängen zur Stadtgesellschaft. Damit verbunden ist ein neuer Umgang mit gehandicappten Menschen.

Sehr erfolgreich laufen auch die Projekte zur Wohnraum-Akquise. Oder die Aufgaben, die SOZPÄDAL in vielen Bereichen übernimmt. Die Meinung der Karlsruher Liste: Der Gemeinderat sollte dies noch stärker unterstützen. Damit uns das Stadtjubiläumsprojekt „keine Wohnungslosen mehr in Karlsruhe“ gelingt.

Analog zum Wohnungslosenbericht sollten wir den Armutsbericht regelmäßig fortschreiben. Die Liga der Wohlfahrtsverbände fordert zurecht Nachhaltigkeit auch bei Sozialpolitik: Welche Hilfsangebote gibt es? Was ist zu verbessern?

Ich füge hinzu: Wir sollten unser Augenmerk auf mögliche Lotsen aus der Armut legen.

Stadtzugänge für unsere Kleinsten sind Betreuungs­möglichkeiten in Krippen, altersgemischten Gruppen oder sogenannten normalen Kindergärten. Immer seltener liegt der Mangel an Plätzen in diesen Einrichtungen am mangelnden politischen Willen oder am mangelnden Geld von der Stadt.
Oft ist es der fehlende Ort für eine Kita: wegen der Eigentumsverhältnisse, wegen Protesten aus der Nachbarschaft, wegen Umbauschwierigkeiten, wegen der nicht passenden Außenanlagen. Und nicht alle leerstehenden Gebäude eignen sich tatsächlich für Kinder.

Diese Schwierigkeiten können wir nur mit Beharrlichkeit meistern. Wir müssen um Standorte werben, vor allem im Wohnumfeld. Die Karlsruher Liste rät darüber hinaus seit Jahren dazu, flexibel zu bauen: Räumlichkeiten, in denen heute Kleinkinder betreut werden, sollen morgen für Schülerhorte oder Ganztagsschulangebote und übermorgen für Seniorenzentren taugen.

Hier heißt es, neue Karlsruher Standards, Standards der Flexibilität zu setzen. Das Thema Baustandards werde ich nachher noch einmal aufgreifen.

Flexibler und vielseitiger sind auch die Angebote bei Kitas. Mehrsprachige Kindergärten gibt es schon einige. Aktuell werden vor allem Bewegungs-Kindergärten geplant.

Wer plant? Sportvereine, also ehrenamtlich betriebene Organisationen. Wir sollten solche Initiativen von MTV, Post Südstadt oder SSC von städtischer Seite mächtig unterstützen. Bei der Organisation, auch mit Geld. Die Sportvereine haben aufgrund der Ganztagesschulen, der enormen Nachmittagsbelastung von Jugendlichen – Stichwort G8 – schon genug Heraus­forderungen zu meistern. Und wenn es darum geht, die demografische Entwicklung zur Senioren­gesellschaft zu bewältigen, erwarten wir ja wie selbst­verständlich ebenfalls die Unterstützung durch die Vereine.

Stadteingänge sind Visitenkarten einer Stadt. Visitenkarten sind aber auch die kulturellen Spitzenhäuser hier. Ich nenne beispielhaft Badisches Landesmuseum, das ZKM, die HfG, die Kunstakademie, die Musikhochschule oder oder oder. Meine Fraktion freut sich, dass das Thema „Kultur und Karlsruhe – Kultur aus Karlsruhe!“ – jetzt stärker ins Licht der lokalen, aber auch der überregionalen Öffentlichkeit gestellt werden soll.

Dabei sollten wir eines nicht vergessen: Einrichtungen sind mit Personen verbunden. Ob Siebenmorgen, Weibel, Sloterdijk, Gross, Rihm – diese Botschafter mit internationaler Ausstrahlung gehören zu Karlsruhe. Das darf der Rest der Republik ruhig wissen.

Nicht ausschließlich die etablierte Kultur hat für die Karlsruher Liste eine hohe Priorität. Nehmen wir als Beispiel das Gotec: eine Mischung aus kultureller Einrichtung, Jugendtreff und Tanzlokal im Industriegebiet. Wer hierher geht, findet Musik, findet Ausstellungen, findet Diskussionen zu Karlsruher Themen – in der Vergangenheit zum Beispiel zum Masterplan – und findet auch neue Formen der Dichtkunst wie zum Beispiel poetry slam. Das Gotec existiert ohne städtische Zuschüsse und ist trotzdem ein Baustein der Karlsruher Kulturlandschaft.

Diese Vertreter einer jungen, uns hier im Gemeinderat kraft Alters weniger vertrauten Kultursparte brauchen weniger Geld als vielmehr städtische Unterstützung. Zum Beispiel sucht das Gotec neue Räume. Solche Einrichtungen sind Teil der Kreativwirtschaft – Wirtschaftsförderung, Fächer GmbH und Kulturamt sind also gefordert.

Vor allem jedoch brauchen diese Grenzgänger zwischen Clubkultur und Musikkneipe das Gefühl, in dieser Stadt „gewollt zu sein“. Für mich ist eine Großstadt ohne Nachtleben dieser Art unvorstellbar. Auch die Clubszene ist eine Visitenkarte.

Vor einer Minute habe ich das Wort etablierte Kultur verwendet: Gehört da die Kinemathek schon dazu? Das frühere „kommunale Kino“ gibt es jedenfalls seit Jahrzehnten. Seit Jahren kämpfen die rührigen Macher mit dem Kellerambiente im Prinz-Max-Palais. Jetzt endlich gibt es eine wirklich überzeugende, realisierbare Chance, Autorenkino auch in Filmpalast-Sesseln und auf Cinemascope-Leinwand zu erleben. Die KAL unterstützt nachhaltig die Übersiedlung ins Studio 3 im Kurbel-Gebäude.

Die Kopplung mit einem kommerziellen Kino mit anspruchsvollem Programm macht Sinn. Das sieht auch die Medien- und Filmgesellschaft MFG des Landes so und will das Projekt mit 1/3 der Investitionskosten fördern. Eine dauerhafte Programmförderung ist Thema.

Der Staatsminister für Kultur der Bundesrepublik Deutschland avisiert für solche Projekte Gelder aus dem Kulturtopf des Konjunkturpakets Zwei.

Diese Chance sollten wir uns nicht entgehen lassen!

Ebenfalls Visitenkarte einer Stadt ist deren Baukultur. Die Stadt hat dabei eine Vorbildfunktion. Wenn wir nicht sehr gute Bauwerke hinstellen – wie wollen wir dann private Investoren von solchem Tun überzeugen?

Dies war ein Grund für meine Fraktion, das Projekt einer Internationalen Bauausstellung zu unterstützen. Der dazu geäußerte, spannende Themenvorschlag „modernes Wohnen in Lofts und großzügigen Maisonette-Wohnungen“ trägt aber leider nicht für eine Internationale Bauausstellung.

Aus der Architektenschaft kommt nun der Vorschlag, bis 2015 ein großes, ein tragendes Thema zu finden. Durch breite Diskussion – in Fachkreisen und mit Laien. 2015 selbst fände dann die Grundsteinlegung statt für die Internationale Bauausstellung. So wie einst der Markgraf 1715 ja auch nur einen Grundstein im Hardtwald eingrub und nicht gleich sein Schloss bezog.

Diesen Vorschlag der Architektenschaft möchte ich anregen, in Betracht zu ziehen.

Was 2015 schon sichtbar sein wird: die Kombilösung, bestehend aus U-Strab und Kriegsstraßenumbau! Beides gehört zusammen, egal, was der Bund jetzt beim Straßentunnel für Zuschusshürden aufgebaut hat. Diese Hürden gelten übrigens nicht für die Schienen in der Kriegsstraße!

Bekennen wir uns daher alle zum Boulevard zwischen Mendelssohn-Platz und Karlstraße.

Der Straba-Tunnel wiederum muss ohne Abstriche an der Qualität der Haltestellen ausgeführt werden. Denn jede dieser Haltestellen wird ein Innenstadt-Eingang sein. Oberirdisch muss die neue Gestaltung der Fußgängerbereiche überzeugen. Nur dann hat dieses riesige und aufwändige Projekt seinen vollen Zweck erreicht.

Kombilösung – das ist ein Verkehrsprojekt zur Stadtentwicklung. Nicht nur ein Verkehrsprojekt.

Oft zu hören ist der Satz: Wir dürfen künftigen Generationen keinen riesigen Schuldenberg hinterlassen. Und der Satz ist richtig! Denn auch die Generationen in 50 Jahren sollen Stadteingänge noch umgestalten können.

Die Karlsruher Liste möchte trotzdem oder gerade deshalb in bestimmten Bereichen des Haushaltes mehr Geld einsetzen. Denn hier wurden und werden Werte geschaffen, die sowohl den jetzigen als auch den künftigen Karlsruherinnen und Karlsruhern von Nutzen sein werden. Nachhaltigkeit nennt man so etwas heute.

Daher auch unser Antrag, das städtische Konjunkturprogramm mit einem wirklich wirksamen und notwendigen Teilprogramm zu ergänzen: Austausch des völlig überalterten Fahrzeugparks der Stadt mit sparsameren, klimafreundlicheren und weniger Betriebskosten fressenden Pkw und Lkw. Die hierfür regelmäßig zur Verfügung stehenden zwei Millionen reichen seit Jahren nicht aus, vom Durchschnittsalter von 13 Jahren und mehr runterzukommen.

Kein privater Flottenbetreiber würde so wirtschaften. Jetzt ist die Chance, jetzt macht es Sinn: Günstiger als jetzt bekommen wir nie mehr neue Fahrzeuge.

Nachhaltig sind auch Leit-Projekte wie zum Beispiel Zoologischer Stadtgarten, Landschaftspark Rhein, um nur einige zu nennen. Oder das Plätzekonzept. Hier schieben sich seit Jahren Verwaltung und Gemeinderat den Schwarzen Peter gegenseitig zu, warum die Themen der einzelnen Plätze noch nicht festliegen. Da muss endlich ein Knopf dran. Schon die Bauphase der Kombilösung wird zwangsläufig die Bespielung der Plätze ändern. Und die reine Fußgängerzone nach Ende der Bauarbeiten in etwa zehn Jahren erst recht.

Aus Sicht der KAL sollte die Stadt vordringlich das Quartier Lidell im Herzen der Weinbrennerstadt angehen. Denn hier stehen noch Bürgerwohnhäuser früherer Kubatur. Das sage ich mit Blick auf den Stadtgeburtstag 2015 und mit Blick auf dieses letzte als Wohnquartier funktionierende Innenstadtviertel.

Der nachhaltige und sparsame Umgang mit Steuermitteln hat noch andere Auswirkungen: Wir müssen bei städtischen Bauprojekten den Lebenszyklus betrachten. Es gilt, Standards für dauerhaftes Bauen zu schaffen. Ganz deutlich gesagt: Lieber beim Bau mehr Geld investieren, das nachher beim Betrieb Geld spart. Denn im Betrieb wird ein Gebäude erst richtig teuer!

Aus diesem Grund sind Container-Lösungen meist nur halbgare Notlösungen. Neben die Kritik an deren Funktionalität als Kindergarten oder Klassenzimmer setzen wir von der KAL auch die Frage: Wie wirtschaftlich sind Containerlösungen über längere Zeiträume?

Aus Gründen des Klimaschutzes wie der Kosten müssen wir ab sofort immer so umbauen, dass nachher deutlich weniger Heizenergie und Strom gebraucht wird. Beispiel Umbau bzw. Sanierung des Rathauses: nicht nur planen, sondern bauen. Inklusive Umbau des Bürgersaals, einer Energieschleuder ersten Ranges. Außerdem: Ist dieses Rathaus nicht auch eine Visitenkarte? Muss hier nicht auch ein Stadteingang erster Güte stehen? Ein Vorbild für Klimaschutz in denkmalgeschützter Substanz?

 Wir von der KAL wollen aus den genannten Gründen einen Klimaschutzfonds. Nicht nur für besondere Investitionsmittel bei Neu- und Umbauten, sondern auch, um zukunftsweisende, nachhaltige Projekte voranzutreiben. Um erfahrene Spezialisten in die Verwaltung zu holen, die durch Geldausgeben Geld sparen. Wir wollen den Einsatz neuer Technologien, die Energie effizienter nutzen. Das wird manchmal zu Anfang teurer als herkömmliche Maßnahmen, trägt aber im Endeffekt sowohl zum Klimaschutz durch geringeren Energieverbrauch als auch zu geringeren laufenden Ausgaben der Stadt bei.

Der Fonds braucht eine feste Einnahmequelle; zum Beispiel 5 oder 10 Prozent aus der Konzessionsabgabe der Stadtwerke.

Mein vorletzter Stadteingang: Der Bahnhofsvorplatz funktioniert als Stadteingang für Bahnreisende. Jetzt wird in der Öffentlichkeit gefragt: Warum wird er schon wieder umgestaltet? Offensichtlich haben sich die gesetzlichen Vorgaben zur Barrierefreiheit noch nicht überall herumgesprochen. Dies gilt es in der Kommunikation des Projekts nachzuholen.

Der Wettbewerbssieger und auch der zweite Platz sind beide sehr gute Grundlagen für eine Aufwertung. Ich fordere alle Zweifler auf: Machen Sie sich ein Bild anhand der Pläne! Schreiben Sie nicht nur Leserbriefe aufgrund missverständlicher Zeilen in der Zeitung.

Die Grünen-Gemeinderatskollegen fordere ich auf: Nicht in Jurys einen Entwurf begeistert mittragen und nachher wegen eines oder zweier zu fällender Bäume und wegen der ersten Kritik gleich wieder vom Glauben abfallen. Demokratie ist Überzeugungsarbeit.

Übrigens pflanzt der Siegerentwurf netto sogar mehr Bäume. Und er lässt vieles zu: Bewirtung vor den Zooarkaden, Schatten durch Sonnenschirme und auch neue Gedanken für die große freie nordöstliche Platzfläche. Eine spezielle Gestaltung mit Wasser – ich denke an die Idee von Henri Bava vom Festplatz – wäre wünschenswert und kühlend in heißen Sommern.

Letzter Stadteingang in Karlsruhe: Im Süden des Bahnhofs schlummert das berühmte Filetgrundstück. Lasst uns neu denken: Welche Funktionen sind dort denkbar? Muss es eine Konzernzentrale sein? Muss es das ganze Areal von der Unterführung der Schwarzwaldstraße bis zur immer noch scheußlichen Unterführung der Ettlinger Straße sein?

Oder lässt sich aus den alten, zum Teil denkmalgeschützten Gebäuden im Westen etwas machen: Eine Künstlerzone, schon vom einfahrenden TGV aus zu sehen. Passend zur Stadt mit dem Aushängeschild „art Karlsruhe“.

Mein allerletzter Stadteingang liegt in Asien, irgendwo jenseits des Bosporus. Die Karlsruher Liste ist prinzipiell in der Frage der Partnerstadt in der Türkei offen. Letztendlich kommt es ja auch auf unsere Partner an: Wer will dieses große Werk mit Karlsruhe wagen? Wo lassen sich Kontakte entwickeln?

Für Van am Van-See spricht vieles. Wir sollten uns die möglichen Partnerstädte vor Ort anschauen.

Sie haben von mir in der vergangenen halben Stunde kein Wort über Krise gehört. Stattdessen habe ich über Stadteingänge, Visitenkarten einer Stadt und das schöne, heutige und zukünftige Karlsruhe gesprochen.

Das habe ich bewusst so gemacht. Viel zu viel wird mir, auch heute wieder, über Krise gesprochen. Je mehr man darüber redet, umso tiefer wird das Loch, aus dem wir krabbeln müssen. Fangen wir lieber gleich mit Rausklettern an. Der Doppel­haushalt der Stadt Karlsruhe kann dazu eine Strickleiter sein.

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