Antrag vom 13. November 2013 für GR-Sitzung v. 17.12.2013
Thema:
Konzept und Aktion gegen verbale Gewalt im Internet („Cybermobbing“)
Antrag
1. Die Stadt Karlsruhe leitet im Rahmen des Kinder- und Jugendschutzkonzeptes einen kommunalen Netzwerkprozess für „Respekt und Achtung der Menschenwürde im Internet“ ein:
Unter Federführung des Stadtjugendausschusses erarbeiten Vertreter der vom Thema berührten Institutionen und Fachleute für Persönlichkeitsrechts-Verletzungen und verbale Gewalt im Internet („Cybermobbing“) ein für das Umfeld in Karlsruhe passendes Gesamtkonzept mit konkreten Maßnahmen zur Eindämmung und setzen dieses in Schritten um.
2. Der Gemeinderat der Stadt Karlsruhe verurteilt mit Nachdruck „verbale Gewalt im Internet“ als Verletzungen des Persönlichkeitsrechts (z.B. Beleidigungen, Erniedrigungen, Einschüchterungen). Er wertet dies als Angriff auf die Würde des Menschen. Cybermobbing darf kein Mittel der politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung sein.
3. Der Gemeinderat ruft die Karlsruher Bürgerinnen und Bürger auf, Beleidigungen und Verunglimpfungen Andersdenkender und Andersgläubiger zu unterlassen und sich diesen Umtrieben in den Foren und sozialen Netzwerken aktiv entgegenzustellen.
4. Der Gemeinderat ersucht die Betreiber von Online-Foren und sozialen Netzwerken, alle ihre Möglichkeiten auszuschöpfen, um
• diese Vorgänge zu unterbinden
• entsprechende Äußerungen unverzüglich und auch unaufgefordert unter Kennzeichnung des Autors zu entfernen
• die Täter von der Diskussion auszuschließen
• und gegebenenfalls Strafverfolgungsmaßnahmen zu ergreifen.
Sachverhalt / Begründung:
Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage (2011) im Auftrag der Techniker Krankenkasse und laut der DFG-geförderten Studie „Cybermobbing an Schulen“ der Universität Hohenheim (2013) sind mittlerweile ein Drittel aller Jugendlichen bereits Opfer von Cybermobbing-Attacken geworden.
Aber auch Erwachsene werden zunehmend zu Opfern verbaler Gewalt im Internet, zum Beispiel in Online-Foren. So beobachtet die Karlsruher Liste mit Sorge, dass etwa im grundsätzlich sehr zu begrüßenden Forum der Karlsruher Internet-Lokalzeitung einige Teilnehmer andere Teilnehmer beleidigen und verunglimpfen, bis hin zu rassistischen und sexistischen Attacken. Dies stellt vor allem einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen dar und ist daneben auch ein störender Eingriff in den Diskussionsverlauf der Foren, die ja prinzipiell einen durchaus positiven Teil der politischen Bürger-Partizipation darstellen.
Laut den Studien erleiden Cybermobbing-Opfer in hoher Zahl gesundheitliche Probleme wie Schlafstörungen, Kopfschmerzen und andere psychosomatische Erkrankungen, sozialen Rückzug bis hin zu manifesten Depressionen und Angststörungen. Zudem zieht soziale Ausgrenzung nach dem Freiburger Neurowissenschaftler Joachim Bauer (2013), ähnlich der Erfahrung von körperlicher Gewalt, eine erhöhte allgemeine Gewaltbereitschaft nach sich. Dies hat sich in der Forschung zur Dynamik von Amokläufen als ein Einflussfaktor in der Vorgeschichte der Täter gezeigt (siehe dazu auch Cybermobbing-Petition des Aktionsbündnisses Amoklauf Winnenden (2011) und Prof. Dr. Joachim Bauer (2013)).
Karlsruhe hat sich als Zentrum für Internet-Technologien einen guten Namen gemacht, der auch die Stadt-Identität prägt. Dazu gehört nach Ansicht der Karlsruher Liste aber auch, sich mit den negativen Technikfolgen federführend auseinanderzusetzen und verantwortungsvoll Maßnahmen für deren Bewältigung einzuleiten. Gerade am Sitz des höchsten Gerichtes für die Einhaltung des Verfassung sollte es oberste Aufgabe sein, für den Schutz der Grundrechte – hier des Art. 1 GG „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlicher Gewalt.“ – einzutreten.
Cybermobbing hat nichts mit Meinungsfreiheit zu tun, wie kürzlich in einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte klargestellt wurde (EGMR, 10.10.13, Application-No. 64569/09). Es stellt ein die Gesundheit und den sozialen Frieden nachhaltig gefährdendes Handeln dar, dem auch in den Kommunen Einhalt geboten werden muss. In diesen Prozess sind Jugendverbände, Kinderschutzorganisationen, Lehrer-, Eltern- und Schülervertretungen, das Landesmedienzentrum, sonstige Beratungsstellen etc. genauso einzubinden wie Medienvertreter, Psychologen, Ärzte, Fachjuristen einschließlich explizit der weiblichen Vertreterinnen dieser Professionen.
Unterzeichnet von:
Lüppo Cramer Margot Döring Dr. Eberhard Fischer