Sonja Döring hinter dem Rednerpult im Bürgersaal des Rathauses

KAL – Haushaltsrede 2025

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Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleg:innen der demokratischen Fraktionen,
vor allem: liebe Menschen in Karlsruhe,

„Lust auf Stadt“ – vielleicht erinnern Sie sich – war einige Wahlkämpfe lang das Eröffnungsplakat der Karlsruher Liste. „Lust auf Stadt“, Lust unsere Stadt, Karlsruhe, mitzugestalten. Stadtleben lebenswert zu machen – in all seiner Vielfalt und Buntheit, mit lauten und leisen Ecken, mit seinen schönen und nicht so schönen Seiten.

Und vor allem, allen Menschen Teilhabe am Stadtleben zu ermöglichen. 

Doch diese Lust aufs Gestalten, die „Lust auf Stadt“ verlangt uns in Zeiten knapper Kassen einiges ab.

„Niemand hier macht sich das einfach“ und „Keiner von uns will das“ sind seit einigen Monaten vermutlich die meistgesagten Sätze in diesem Gremium. Sie machen deutlich, wie schwer die anstehenden Entscheidungen zu treffen sind. Wie sehr auch wir von der Karlsruher Liste mit dem anstehenden Doppelhaushalt ringen.

Wir könnten es uns einfach machen und sagen: Wir stimmen das alles nicht mit. Zu hart erscheinen die Einschnitte, die wir vor allem in den Bereichen Soziales und Kultur vornehmen sollen. Und: Verbauen wir uns nicht eine positive Zukunft, wenn wir bspw. im Klimaschutz aus Kostengründen nicht volle Power geben? 

Sollen sich doch die anderen um die schweren Entscheidungen kümmern. Schließlich lassen die Vertreter:innen anderer Parteien in Bund und Land die Kommunen im Regen stehen. Aber Schuldzuweisungen helfen nicht weiter. Einfache Antworten auf komplexe Probleme sind nicht ehrlich. Sie gefährden letztlich nur unsere Demokratie.

An Bund und Land gerichtet, bekräftigen wir jedoch: Die Kommunen sind im demokratischen System die wichtigste demokratische Ebene. Entscheidungen, die wir hier fällen, treffen die Menschen unmittelbar, gestalten ihren Alltag.

Wenn wir auf dieser „untersten“, aber eben direktesten Ebene harte Einsparungen vornehmen, die nicht nachvollziehbar sind für die Menschen in unserer Stadt, gefährden wir die Akzeptanz demokratischer Entscheidungen. Wenn die Kommunen nicht liefern können, weil Bund und Land uns finanziell nicht ausreichend ausstatten für die vielen Aufgaben, die wir übertragen bekommen, wie soll dann Vertrauen in die Entscheidungen auf Landes- und Bundesebene entstehen?

Für Karlsruhe bedeutet das: Wir müssen mit den Menschen in Karlsruhe reden, erklären, um Lösungen ringen. Bei all den Einsparungen dürfen wir nicht vergessen, die Strukturen und die Lebensqualität für diejenigen zu erhalten, die hier ihren Alltag bestreiten, die auf unseren Straßen und Plätzen unterwegs sind, die hier in die Kita, die Schule, die Uni, zur Arbeit gehen.

Es ist keine zwei Jahre her, da standen wir alle hier auf den Märkten dieser Stadt und haben den Karlsruher:innen unser Angebot für die zukünftige Politik in Karlsruhe vorgestellt. Viele bunte Plakate säumten die Wegränder und warben um Wählerstimmen. Auch wir haben bunte Plakate aufgehängt. Was die KAL für Karlsruhe will, zeigen diese Plakate. Und diese Themen werden wir im Doppelhaushalt besonders im Blick behalten.

„Modellstadt Inklusion“ ist das Plakat, auf das ich vermutlich am meisten angesprochen werde. Das mag mit meinen persönlichen Schwerpunkten zusammenhängen, aber auch sicher damit, dass „Inklusion“ gerade ein Modewort ist.

Grundsätzlich eine gute Entwicklung: Allen Menschen unabhängig von ihrem individuellen Sein, Zugang zu allen Teilbereichen des täglichen und öffentlichen Lebens zu ermöglichen, ist der richtige Weg, Gesellschaft zu denken.

Aber „Inklusion“ darf kein Deckmantel sein. Entscheidungen dürfen nicht über Menschen getroffen werden, sondern mit ihnen.

Und egal zu welchen Systemveränderungen wir durch die geplanten Einsparmaßnahmen kommen, wir müssen im Blick haben, dass die individuellen Bedarfe gedeckt werden.

Wir werden deshalb die Einsparungen im Bereich Eingliederungshilfe nicht mittragen. Wenn die Verwaltung selbst schreibt, dass eine „Verschlechterung der persönlichen Lebenssituation“ der Hilfeempfänger:innen daraus resultieren kann, ist das nicht der Weg, den unsere Fraktion mitgehen kann.

Die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) ist einer der größten und am stärksten wachsenden Ausgabeposten für die Kommunen. Gut so. Immer mehr Menschen wird dadurch umfassende Teilhabe ermöglicht. Deshalb sind diese Kosten kein nice-to-have. Hier geht es um die Würde Einzelner, um die Anerkennung von Vielfalt und um gesellschaftliche Teilhabe. Menschen mit Behinderung und ihre Familien stehen immer noch vor viel zu großen Herausforderungen und erleben enorme Belastungen. Inklusion in Schule, Kita und in der Gestaltung der Freizeit steht trotz aller positiven Entwicklungen noch ganz am Anfang. Deshalb: hier nicht nachlassen, keinen Cent und keine Personalstelle einsparen.

Und weil Inklusion bedeutet, allen Menschen, unabhängig von ihren persönlichen Ressourcen, Teilhabe zu ermöglichen, lehnen wir auch die geplanten Einsparungen bei AV-Dual ab. AV-Dual ist ein Bildungsgang, der sehr erfolgreich junge Menschen auf dem Weg in die Ausbildung begleitet. Wir wollen weiterhin jungen Menschen ermöglichen, mit der richtigen Unterstützung ihr berufliches Leben selbstständig und selbstwirksam zu gestalten.

Wichtig für die gesellschaftliche Teilhabe von Familien ist eine

„Verlässliche Betreuung in Kita und Hort“ – ein weiteres Plakat von uns.

In beiden Bereichen der Kinderbetreuung stehen für die Familien große Veränderungen an.

Grundsätzlich sind wir bei der KAL der Meinung, dass Bildung, auch frühkindliche Bildung, für die Familien beitragsfrei sein sollte. Aber: Solange das Land nicht seiner Verantwortung im Bereich Bildung nachkommt, werden wir das Ziel einer beitragsfreien Kita nicht erreichen.

Die Karlsruher Liste geht den von der Verwaltung vorgeschlagenen Weg bei der Reduzierung der Geschwisterkindermäßigung ein Stück weit mit. Familien, die es sich leisten können, werden zukünftig höhere Beiträge zahlen als finanzschwächere Familien. Das finden wir richtig. Wichtig ist für uns, dass Familien mit mehreren Kindern und mittleren Einkommen, nicht die volle Beitragslast zu tragen haben. Die KAL wird sich deshalb für ein abgestuftes System einsetzen, dass diese Familien mit einem reduzierten Beitragssatz berücksichtigt. Ebenso beantragen wir, dass Familien mit drei oder mehr Kindern, die gleichzeitig in die Kita gehen, ab dem dritten Kind beitragsbefreit sind.

Die nächste Veränderung kommt im Bereich der schulischen Betreuung auf die Familien zu. Die Umsetzung des Ganztagsanspruchs für Grundschulkinder stellt die Stadt vor die Herausforderung, ihr Betreuungssystem in diesem Bereich neu zu planen. Das Konzept sieht eine breite Wahl an Betreuungszeiten vor und der Gemeinderat hat sich dafür eingesetzt, dass allen Kindern ein Mittagessen ermöglicht wird – unabhängig von der gewählten Betreuungsdauer am Nachmittag.

Ganz klar für die KAL ist: Mit uns wird es keine Abstriche an diesem Konzept geben.

Grundsätzlich: Im Bereich Bildung, bei Kindern und Jugendlichen zu sparen, beinhaltet immer die Gefahr, junge Menschen zu verlieren.

Wir sollten uns als Gemeinderat deshalb sehr bewusst sein, dass wir es in der Hand haben, immer wieder gegenzusteuern.

Weichen richtig stellen – das bringt mich zu unserem Plakat „Kultur braucht Raum und Geld“.

Einige Kulturinstitutionen stehen vor dem Aus, wenn die geplanten Sparmaßnahmen wie vorgeschlagen kommen. Wir riskieren die Substanz und die Vielfalt unserer Kulturszene.

Kulturelle Angebote schaffen Räume, in denen Menschen zusammenkommen. Manchmal um sich zu amüsieren, oft aber auch, um sich mit den drängenden und nicht immer leichten Fragen unserer Gesellschaft, unserer Zukunft auseinanderzusetzen. Kultur kann neue Zugänge eröffnen, Verständnis schaffen, Blickwinkel verändern, tief berühren. Hier werden die Grundlagen unseres Wertesystems immer wieder hinterfragt, neu verhandelt oder sich ihrer versichert.

Damit leistet die Kultur einen maßgeblichen Beitrag zu unserer Demokratie. Und deshalb ist die Entscheidung für die Kultur, für Kulturförderung immer auch eine Entscheidung für die Stärkung unserer Zivilgesellschaft. Viele kulturelle Angebote sind zudem Bildungsräume. Gerade Angebote für Kinder und junge Menschen können Ängste nehmen, Verständnis und Anerkennung füreinander schaffen und Vertrauen in demokratische Prozesse stärken.

Wir haben in vielen Gesprächen erfahren, mit welch großer demokratischer Überzeugung und Solidarität sich die einzelnen Institutionen dieser Aufgabe stellen.

In der KAL haben wir uns lange überlegt, ob wir aus unserem Grundverständnis, was Kultur leistet und wie unterfinanziert sie jetzt schon ist, überhaupt Kürzungen in diesem Bereich mittragen. Wir werden das teilweise tun, obwohl viele Kultureinrichtungen durch die dann auch sinkende Komplementärförderung des Landes die Einsparungen doppelt spüren werden.

Das Badische Staatstheater wird deutliche Einschnitte machen müssen. Und das wird sich mit diesem Doppelhaushalt nicht erledigt haben. Das Staatstheater hat ganz klar den Auftrag, konzeptuell umzudenken – und ist dabei schon auf dem Weg: mit weniger Budget, mit weniger Personal.

Auch andere Institutionen wie das ZKM, das Tollhaus oder Substage werden die Kürzungen deutlich spüren. Es wird zu merklichen Einschnitten im Programm kommen – aber untergehen werden sie nicht. Diesmal nicht.

Die Karlsruher Liste wird sich zudem für alle die einsetzen, die durch die Kürzungen existentiell bedroht sind: das Sandkorntheater, die Alte Hackerei, dokka, das KOHI und andere. Auch Angebote, die sich konkret an Kinder und Jugendliche richten, wie die Kindermalwerkstatt oder Werkraum, wollen wir in ihrem Bestand und mit ihrem Angebot gesichert sehen.

Wir fordern deshalb nochmal den Kulturbürgermeister auf: Gehen Sie vor den Haushaltsberatungen ganz konkret mit den Mitgliedern des Kulturrings ins Gespräch! Kürzen Sie nicht alle gleich!

Unser Ziel muss sein, den Kultureinrichtungen auch zukünftig das Überleben zu ermöglichen. Gleichzeitig sollten die Kultureinrichtungen die zweijährige Verschnaufpause nutzen, sich überlegen, wie sich einzelne umorganisieren oder neu aufstellen können. Und gleich im Januar 2026 muss mit der Erstellung eines Konzepts zur Kulturförderung angefangen werden, zusammen mit der Kulturszene, damit wir transparent und ehrlich in den nächsten Doppelhaushalt gehen können.

Jetzt haben Sie ziemlich viel darüber gehört, welche Sparvorschläge wir nicht mitgehen werden. Und natürlich werden einige jetzt fragen, wo wollt ihr denn das Geld sonst einsparen? Und, dass wir schmerzhafte Einschnitte vornehmen müssen.

Okay: Thema schmerzhafte Einschnitte:

Denken wir doch mal darüber nach, ob die Ortsverwaltungen noch zeitgemäß sind. Warum haben einige Stadtteile immer noch eine privilegiertere Teilhabe an Verwaltung und Stadtpolitik? Ließen sich hier nicht deutlich Synergie- und Einspareffekte erzielen?

Außerdem: Ist es sinnvoll im Bereich der Digitalisierung derart zu sparen? Sollten wir angesichts der massiven Kürzungen im Personalbereich nicht dringend Prozesse verschlanken und dann gleich durchgehend digital denken? Dafür braucht es entsprechende Kompetenzen, Kapazitäten und Anschubmittel. Denn: Ein ineffizienter analoger Prozess bleibt auch digital ein ineffizienter Prozess, wenn er nicht zuvor modernisiert wird. Wenn wir hier ordentlich investieren, werden wir an bestimmten Stellen deutlich sparen.

Und was ist mit unseren Investitionen? Wie Sie wissen, hat sich die Karlsruher Liste gegen die „Verlängerung der Turmbergbahn“ ausgesprochen.

Keine Angst, das wird kein Nachtreten. Wir nehmen zur Kenntnis, dass die demokratische Mehrheit in diesem Haus eine andere Entscheidung getroffen hat.

Aber gerade angesichts der finanziellen Lage der Stadt, der gedeckelten Kreditaufnahme im Investitionshaushalt und der steigenden Zinsbelastungen für alle kommenden Ergebnishaushalte, sollten alle Großprojekte auf den Prüfstand gestellt und frühere Entscheidungen überdacht werden. Kosten, auch Planungskosten, für noch nicht gestartete und nicht zwingend notwendige Großprojekte sollten wir uns sparen. Stecken wir das Geld lieber in die Sanierung oder den Neubau dringend notwendiger Schulbauprojekte.

Auch bereits begonnene Bauprojekte wie das Staatstheater müssen immer wieder auf den Prüfstand. Keine Frage: Das Theater muss fertig werden. Eine „Karlsruher Lösung“ mit Sparen am falschen Platz wird es mit der KAL nicht geben.

Und warum leistet sich die Stadt immer noch einen Kommunalen Ordnungsdienst, eine rein freiwillige Leistung? Polizeiarbeit und Sicherheit sind Landesaufgaben.

Bei all dem was wir heute gehört haben, kann man sich schon die Frage stellen: haben wir noch „Lust auf Stadt“? Ja, ganz klar ja!

Denn die KAL ist überzeugt: „Vielfalt macht Stark“ – auch ein Plakat aus 2024.

Ein buntes, lebendiges Karlsruhe wünschen wir uns. Dazu gehört die Förderung queeren Lebens genauso wie die Unterstützung der Bürgervereine. Ehrenamtliches Engagement in Sportvereinen, für Geflüchtete, in sozialen oder kulturellen Einrichtungen, im Stadtteil, für die Umwelt oder bei der Ausrichtung von Festen – ohne die vielen unterschiedlichen Menschen in Karlsruhe, die sich für unsere Gemeinschaft engagieren, geht es nicht. Aber ehrenamtliches Engagement braucht oft auch professionelle Unterstützung, braucht Hauptamt und Organisation. Deshalb müssen wir bei allen Kürzungen auch im Blick behalten, wie viel ehrenamtliches Engagement wir vielleicht gefährden.

Als Karlsruher Liste möchten wir das Leben für die Menschen in Karlsruhe weiter positiv gestalten:

Gestalten – mit konkreten Maßnahmen:

Wir brauchen eine gute Lösung für das Rheinstrandbad Rappenwört – bürgerschaftliches Engagement schafft hier gerade Perspektiven.

Der Erhalt des Lichterfests im Stadtgarten scheint hingegen ohne Unterstützung nicht möglich.

Gestalten – mit dem Erhalt wichtiger Strukturen:

Wir müssen die vielfältige und starke Kulturszene in Karlsruhe erhalten.

Wir stehen für eine auch weiterhin starke soziale Stadt.

Gestalten – mit dem Blick aufs Ganze:

Die KAL setzt sich ein: für die Teilhabe aller Menschen, unabhängig ihrer körperlichen, kognitiven, ökonomischen oder kulturellen Unterschiede.

Letztlich: Für die Stärkung der Demokratie.

Wir leben trotz aller Herausforderungen in einer großartigen, wunderschönen Stadt, mit vielen besonderen und einzigartigen Menschen. Und deshalb habe ich „Lust auf Stadt“.

Karlsruher Liste Fraktion
Haushaltsrede Gemeinderatssitzung am 18.11.2025                                                               

Rednerin: Sonja Döring

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