“Rheinbrücke und so weiter” – live vom Faktencheck – Tag 1

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<ebi> Heute findet der von der KAL beantragte, vom K’her Gemeinderat (GR) geforderte und von den beiden Landesregierungen von Ba-Wü und RLP organisierte Faktencheck zur “Rheinbrücke – erste und zweite RB” statt. Mit mir sitzen kurz nach 9 Uhr ca. 80 Interessierte im Stefanssaal neben der katholischen Stadtkirche; davon ist rund die Hälfte keinem Amt, keiner Einrichtung und keinem Verein zugehörig. Dazu kommen die einbestellten Planer aus dem Regierungspräsidium (RP) etc., die Interessenvertreter pro und kontra zweite Rheinbrücke (darunter auch das von der KAL unterstützte “Aktionsbündnis pro Ersatzbrücke Maxau” mit Matthias Fischer), Landespolitiker und Medienmenschen. Durch den Tag führen wird Moderator Markus Brock. Das Programm findet sich im Internet. 

Begrüßung durch Dr. Gisela Splett, GRÜNE-Staatssekretärin im Verkehrsministerium Ba-Wü, danach spricht die baden-württ. Staatsrätin für bürgerschaftliches Engagment, Gisela Erler.

Jetzt folgen die Einführung ins Thema und die einführenden Vorträge der Bundesländer. Und es geht gleich schlecht los: Der Einführungsvortrag Ba-Wü ist total pro RB2! Er sieht es rein aus Verkehrssicht: Mehrverkehr braucht mehr Straßen. Ähnlich der Vortrag aus RLP, der auch noch von der Nordtangente (Hängebauch) ausgeht. Auch der berühmte Herr Protz vom RP darf seine Sicht der Lage darstellen; entlarvend seine Folie mit dem Satz, dass jede Lücke in der Verkehrsmenge auf der Südtangente (z.B. durch Lkw-Maut) durch neue Pkw-Nutzer aufgefressen wird.

Jetzt ist die erste Diskussionsrunde. Auf Frage von Stadtplanungschef Harald Ringler antwortet ein Ba-Wü-Vertreter: Trotz der Kritik selbst der Befürworter einer RB2 wird die Planung nicht geändert, die einen Anschluss der RB2 an die Südtangente vorsieht!

Klimaschutz ist aus seiner Sicht für die Verkehrsplaner kaum zu schaffen, “wir müssen für eine uneingeschränkte Mobilität sorgen”. Der RLP-Vertreter meint: Bei Sperrung und Umleitung gibt es noch mehr klimaschädliche Emissionen. Er geht von weiteren Straßen rund um Karlsruhe zur Lärmentlastung der Südtangente aus (sprich Nordtangente).

Die ersten Fragen gehen noch an Kernfragen vorbei; aber VCD-Vertreter Reiner Neises bringt alles auf den Punkt. Auf die Frage, warum die Ausgangszahlen in deren Gutachten höher liegen als die gemessenen, weicht der Modus-Consult-Mensch aus. Zur Auswirkung der Bemautung auf B9 und entfallener Bienwald-Autobahn sieht der RLP-Straßenbau-Vertreter “nur” eine Entlastung von 5.000 Fahrzeugen.

Auf meine Frage, wie denn die Straßenbrücken-Situation zwischen Straßburg und Kehl sei, weiß das Podium keine Antwort und braucht Hilfe aus dem Publikum. Der RLP-Vertreter schätzt Straßburg auf 80.000 Einwohner – Groß-Straßburg hat aber ca. 600.000 EW! <Und für alle Leser die tatsächliche Brückensituation: Europabrücke mit vier Fahrstreifen und beidseitigen Rad- und Fußwegen, ohne Standstreifen = einzige Straßenbrücke zwischen Straßburg und Kehl (ca. 50.000 EW).
Dazu Pont Pierre Pfimflin, Eschau, France (bzw. Altenheim, Baden): einstreifig pro Richtung, kein Standstreifen; liegt ca. 12 km Luftlinie südlich Europabrücke (rund 25 km per Auto).
> Danach ist Pause.

Die Pause ist vorbei – jetzt geht es (nochmals) um die aktuelle Verkerhssituation, aber nur auf der Bestandsachse (als Südtangente – RB – A 65). Protz zeigt ein Filmchen mit Autofahrt auf diesem Weg (Verkehr läuft flüssig). Danach stellt er heutige und prognostizierte Verkehrszahlen vor.  Und benutzt dabei die falschen Zahlen von Modus Consult im Analyse-Nullfall (sprich der Situation 2009), die rund 6.000 Kfz/Tag zu hoch sind.

<Wie die Situation auf der RB ist, lässt sich heute Vormittag leider nicht online unter https://web.archive.org/web/20220625234205/https://vmz.karlsruhe.de/ verfolgen – wegen Wartungsarbeiten ist der Server offline.

Jetzt stellt Prof. Friedrich (Uni Stuttgart) eine mir bisher unbekannte Machbarkeitsstudie für eine länderübergreifende Verkehrsbeeinflussung A65/B9/B10 (Südtangente) vor (aus dem Jahr 2008). Messungen von ihm: An 17 % der Tage hat ein Berufspendler von Wörth nach KA eine Fahrzeitverlängerung von 5 bis 10 Minuten, an 6 % von mehr. Nur an 10 % der Tage ist der ÖPNV schneller als das Auto! In der Spitzenstunde im November 2008 sind 4.400 Kfz pro Stunde über die RB unterwegs (83.000 Kfz am Tag). Ergebnis: Verkehrsbeeinflussungssysteme (über Infos vor Ort und im Internet, andere Signalisierung) etc. verbessern die “fließende Situation” merklich.

Modus Consult erklärt, die Zahlen in 2011 lägen höher als in den Vorjahren, vor allem an Freitagen. Die Kritik an das Büro (mehrfach geäußert): Wieso wirft es Einzeltageswerte und durchschnittliche Verkehrszahlen für Werktage durcheinander? Die Gutachten für die Prognosen gehen nämlich immer von den Durchschnittswerten aus.

Angesichts der Neigung der antwortenden Experten (vor allem aus RP Karlsruhe, Landesbetrieb Mobilität RLP und von Modus Consult), Fragen nicht oder umschweifig mit Meinungsäußerungen zu beantworten, wird die Stimmung schlechter: Die Fragen der Umweltverbände werden bohrender. Weber und Weinrebe fragen, warum manche Antworten nicht gegeben werden.

Diskussion: Was bringt das Aufheben des Knielinger Pförtners (Zusammengehen von 3 auf 2 Spuren)? Stefan Wammetsberger vom Ingnieurbüro Köhler/Leutwein erwartet eine spürbare Verbesserung (Abbau der Stundenspitze von 500 Kfz), sieht aber noch Untersuchungsbedarf zu den Auswirkungen auf das weitere Verkehrsgeschehen. RP-Protz sieht das kritischer (Sicherheitsprobleme). Harald Ringler, Vertreter der Stadt Karlsruhe als Stakeholder, zum Thema: Öffnen des Pförtners verlagere das Problem nur.

Was nach allen Äußerungen feststeht: Nicht die Brücke macht den Stau, sondern der Pförtner.

Was ebenfalls feststeht: Die durchschnittlich 5 Minuten Fahrzeitverlängerung durch den stockenden Verkehr über die Brücke sind im Vergleich mit anderen Oberzentren/Großstädten eher gering.

 MITTAGSPAUSE

Nach der Pause geht es um den Zustand der heutigen Brücke: eigentlich gut, laut Herrn Katzik vom RP KA. Mit normaler Instandhaltung hält die Brücke 100 Jahre; dazu gehören das Schweißen von Rissen der Fahrbahnplatte, Asphaltausbesserungen, Korrosionsschutz erneurn u.ä. Diese Maßnahmen lassen sich durch 4+0-Verkehrsführung erledigen (also auf einer Brückenhälfte, je zwei Fahrspuren pro Richtung). Bei einer sehr großen Havarie (Anprall eines flussabwärts fahrenden Schubverbandes, Explosion eines Tankschiffes oder Tanklasters), Austausch von Seilbündeln müsste die Brücke vollgesperrt werden. Bisher nie passiert, aber ein (schwacher) Anprall geschehe rund einmal pro Jahr. Ein komplettes Wechseln der Tragseile wäre der GAU.

Dann stellt Katzik die Sanierungsuntersuchung der Ingenieurgruppe Bauen im Auftrag des Verkehrsministeriums vor (downzuloaden unter http://www.mvi.baden-wuerttemberg.de). Präferiert wird das HPC-Verfahren mit hochfestem Beton als neuer Fahrbahnplatte (hervorragende statische Wirkung, schwierig auszuführen, “Uhrmacherarbeit auf der Baustelle”). Verbunden mit 4+0-Verkehrsführung über 9 Monate, plus 12 bis 16 Vollsperrungstage (zum Teil an Wochenenden und in Ferien). Danach dauerhaft saniert. Das Ganze wäre ab heute in 3 bis 4 Jahren möglich (inklusive Pilotsanierung einer kleinen Brücke, um das HPC-Verfahren zu üben).

Trotzdem hält Katzik (als Straßen- und Brückenplaner) die RB2 für unverzichtbar – “man braucht für Unfälle immer einen Ausweich”. <Die vielen Orte in D, wo eben keine Ausweichbrücke über den Rhein oder die Elbe oder … steht, beleuchtet Katzik nicht>.

Eine Ersatzbrücke ist nach Ansicht von Katzik bautechnisch möglich.

Carsten Weber (LNV) fragt nach der Eintrittswahrscheinlichkeit einer schweren Havarie. Katzik drückt sich um die Antwort. Carsten Weber fragt nach anderen Brücken, bei denen eine zweite Brücke als Umleitung gebaut wurde. Nach einigem Überlegen wird eine einzige Brücke genannt – die wurde direkt neben der alten gebaut (wie die vorgeschlagene Ersatzbrücke).

Das MVI (Herr Hollatz) bestätigt nochmals: Eine Sanierung wie vorgeschlagen ist ohne 2. Rheinbrücke möglich. Eine 2. Rheinbrücke wird nur bezahlt , wenn sie einen eigenen volkswirtschaftlichen Wert hat. Herr Zembrot vom MVI sagt, dass die Bundesanstalt für Straßenbau die HPC-Sanierung befürwortet. Problematisiert werden in der Diskussion die Folgekosten weiterer Brücken bei ohnehin existierendem Unterhaltungsdefizit.

Ab 16.20 Uhr (Ablauf hinkt dem Programm hinterher) geht es noch um Abgas, Lärm und den ÖPNV. Ich melde mich am Dienstag wieder.

 

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