In der Gemeinderatssitzung am 30. September 2025 haben wir zu mehreren wichtigen Tagesordnungspunkten Stellung genommen. Wir haben unter anderem über die Umsetzung der Istanbul-Konvention, den Bericht des Beirats für Menschen mit Behinderung, die Maßnahmen zur Haushaltssicherung, die Fortschreibung des Rahmenkonzepts Ladeinfrastruktur 2025 sowie den Antrag „Kein Werben fürs Sterben“ diskutiert. Im Folgenden findet ihr unsere gesammelten Redebeiträge:
Redebeitrag Sonja Döring zu TOP 9 Istanbul-Konvention
Sehr geehrter OB, liebe Kolleg:innen,
Wenn wir heute über die Umsetzung der Istanbulkonvention reden, über Gewalt gegen Frauen und über die Maßnahmen, die die Stadt Karlsruhe ergreift, um den Betroffenen Frauen Unterstützung zukommen zu lassen, reden wir nicht über ein Randthema. Wir reden über die Mitte unserer Gesellschaft.
2023 gab es in Deutschland fast jeden Tag einen Femizid – also eine Tötung einer Frau, weil sie eine Frau ist. Die Zahl der versuchten Femizide lag bei 938.
Politisch motivierte frauenfeindliche Straftaten stiegen 2023 um 56,3 %.
Digitale Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist um 25 % gestiegen.
In den Bereichen sexualisierter Gewalt und Menschenhandel zum Zwecke der sexualisierten Ausbeutung von Frauen und Mädchen wurden 6-7 % mehr Fälle registriert.
Alle 4 Minuten erlebt eine Frau in Deutschland Gewalt durch ihren Partner oder Ex-Partner – oft im häuslichen Umfeld.
155 Frauen wurden 2023 durch ihren (Ex-)Partner getötet.
12.931 Frauen wurden von ihrem (Ex-)Partner schwer oder gefährlich körperlich verletzt.
4.622 Frauen erlebten sexualisierte Gewalt durch ihren (Ex-)Partner – mehr als alle zwei Stunden eine Frau.
Wir können also davon ausgehen, dass jetzt, in diesem Moment irgendwo in Deutschland eine Frau Opfer sexualisierter Gewalt durch ihren Partner oder Expartner wird.
Und all diese Zahlen sind nur die offiziell gemeldeten Fälle. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen.
Liebe Frau Meister, liebe Alle aus dem Gleichstellungsbüro:
vielen Dank für diesen Bericht. Denn bei aller Wut und Unfassbarkeit angesichts dieser Zahlen macht es Mut, dass wir uns diesem Thema stellen. Dass Sie Aufmerksamkeit schaffen, dass Sie vernetzen, dass es Mittel und Wege gibt, die Betroffenen zu unterstützen, ihnen im besten Fall Hilfe und dauerhafte Sicherheit zu ermöglichen. Und Sie lassen den Kopf nicht hängen angesichts der Fülle der Aufgaben und Themen die sich in immer neuen Facetten auftun. Ihr Bericht zeigt: in vielen Bereichen konnten Maßnahmen bearbeitet oder anstoßen werden – und Sie zeigen auf, welche Bereiche noch dringend angegangen werden müssen.
Ich möchte hier besonders auf den Bereich Gewalt gegen Frauen mit Behinderung eingehen. Eine Studie des Bundesministeriums für Arbeit uns Soziales hat erst im letzten Jahr aufgezeigt, dass diese Personengruppe besonders gewaltgefährdet ist. Ich würde mir wünschen, dass dieses Thema früher in den Fokus genommen wird. Die Unterstützung meiner Fraktion und sicher auch dieses Gemeinderats für die Fortführung dieser wichtigen Arbeit haben Sie.
Vielen Dank.
Redebeitrag Sonja Döring zu TOP 11 Bericht Beirat für Menschen mit Behinderung
Sehr geehrter OB, liebe Kolleg:innen,
vor allem aber liebe Beiratsmitglieder, liebe Frau Wernert,
seit letztem Sommer darf ich als Gast des Beirats für Menschen mit Behinderung Ihren Sitzungen beiwohnen. Ihr Bericht zeigt die große Bandbreite an Themen, mit denen Sie sich dort beschäftigen. Ihre Sichtweisen auf das Leben in Karlsruhe, Ihre Expertise in den vielen Fachbereichen der Karlsruher Stadtpolitik ist unverzichtbar. Danke für die Diskussionen im Beirat. Unterschiedliche Menschen haben unterschiedliche Bedarfe, unterschiedliche Wahrnehmungen und Sichtweise. Diese unterschiedlichen Einstellungen und Meinungen diskutieren Sie untereinander in großer Klarheit, aber auch mit großem Respekt.
Danke, dass Sie sich einmischen und die vielen Punkte offenlegen, an denen wir beim Thema Inklusion und Barrierefreiheit noch was tun müssen.
Der Bericht zeigt dies an vielen Stellen, insbesondere auch für die Situation von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Behinderung, speziell komplexen Behinderungen. Die betroffenen Familien berichten von einer Verschlechterung ihrer Situation. Danke, dass Sie diese Gruppe weiter inklusiv mitdenken, auch wenn es aktuell keine Vertretung für die Gruppe Jugendliche und Kinder mit Behinderung im Beirat gibt.
Einen herzlichen Dank auch an Frau Wernert. Aus dem Bericht der Beauftragten für Menschen mit Behinderung wird wieder einmal die unglaubliche Aufgabenfülle klar. Die großen Erwartungen, die an ihr Amt und ihre Person gestellt werden – und den fehlenden Ressourcen im Büro der Behindertenbeauftragten, dem allen gerecht zu werden.
In diesem Bericht zeigt sich, dass Licht und Schatten ganz nah beieinander liegen. Die Belange von Menschen mit Behinderung finden laut Frau Wernert innerhalb der Stadtverwaltung besser Gehör auf der anderen Seite entwickelt sich der KVV bei der Barrierefreiheit für Sehbehinderte und Blinde Menschen rückwärts. Das habe sie „sehr bewegt“, schreibt Frau Wernert. Warum man hier 10 Jahre verschenkt und statt einer modernen Lösung ein veraltetes Modell einführt.
Liebe Frau Wernert, lieber Beirat: das bewegt mich nicht nur, das frustriert mich.
Bleiben Sie also bitte Ungeduldig und Laut und zeigen auf, wo die Schwachstellen liegen, damit wir gemeinsam umfassend und gelingend Inklusion leben können.
Redebeitrag Sonja Döring zu TOP 14 Haushaltswirtschaftlichesperre Maßnahmen
Sehr geehrter OB, liebe Kolleg:innen,
da liegen Sie also nun, die langen Listen mit Maßnahmen zum Haushaltssicherungsprozess. Ein paar geplante Einnahmensteigerungen durch Gebührenerhöhungen und seeehr viele Einsparmaßnahmen.
Praktisch nichts davon ist „nice to have“. Wenn wir dieses Paket umsetzen, werden das die Menschen in Karlsruhe deutlich spüren.
Nichts auf diesen Listen überrascht uns. Wir haben uns in vielen nichtöffentlichen Sitzungen mit den Maßnahmen befasst. Einiges wabert auch schon durch die Stadtgesellschaft. Deshalb ist es gut, dass die geplanten Maßnahmen heute öffentlich werden. Dass die Bürger:innen dieser Stadt jetzt die Möglichkeit haben, sich ein Bild zu verschaffen.
Und dazu möchten wir heute auch auffordern: liebe Karlsruherinnen und Karlsruher,
schaut euch das mal an! Macht euch die Mühe, die Listen durchzugehen. Und dann stellt Fragen, gebt uns Rückmeldung.
Die Stadt plant am 20. November eine Bürgerversammlung zur Haushaltssicherung.
Aus unserer Sicht liegt dieser Termin zu spät. Genau an diesem Tag endet die Antragsfrist und damit die Möglichkeit der Fraktionen, Themen in die Haushaltsberatung einzubringen. Wir würden uns wünschen, dass wir früher mit der Bürgerschaft ins Gespräch kommen.
Zudem stellt sich uns noch die Frage, was denn da genau passieren soll. Informiert die Stadtverwaltung nur? Geht es hier um einen Austausch, um eine Diskussion mit den interessierten Bürger:innen?
Die Lage ist ernst. Das ist allen Beteiligten klar. Die Karlsruher Liste Fraktion ist sich der Verantwortung gegenüber den Menschen in dieser Stadt bewusst. Den Karren gegen die Wand zu fahren ist keine Option. Aber wohin wir ihn lenken, darüber müssen wir reden.
Vielen Dank.
Redebeitrag Michael Haug zu TOP 22 Kein Werben fürs Sterben
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleg:innen,
Wir empfinden eine große Sympathie für die pazifistische Grundhaltung die dem Antrag Linken zugrunde liegt.
Umso mehr sind wir frustriert über die weltweiten Entwicklungen des letzten Jahrzehntes mit den russischen Angriffskriegen, die eine Vision auf gewaltfreie Konfliktlösungen zunehmend unwahrscheinlich werden lässt.
Aber unabhängig davon ist die Bundeswehr eine staatliche Einrichtung, die der Bundesregierung untersteht und einen parlamentarischen Auftrag hat.
Als Parlamentsarmee sind etwaige Einsätze vom Parlament zu beschließen und damit demokratisch legitimiert.
Wir lehnen deshalb der Antrag für ein pauschales Werbeverbot für Bundeswehr und Kriegsdienst ab.
Werbung für Rüstungsprodukte lehnen wir ab, können aber die Erklärungen der Stadtverwaltung, insbesondere aufgrund der fehlen rechtlichen Definition des Begriffes nachvollziehen.
Vielen Dank.