Besinnung bei Kohlefeuer

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Weihnachten ist in meiner Familie immer die Zeit der Besinnung, weniger die Zeit der Besinnlichkeit. Da wird bei uns immer heiß über Gott, mehr aber über die Welt diskutiert. Auch in diesem Jahr. Am 24.12.2007 war ich wie immer am Morgen des Heilig Abends bei meiner Mutter zum Frühstücken. Sie wollte von mir wissen, wie das mit dem geplanten Kohlekraftwerk am Rheinhafen (den Kohlekraftwerken dieser Welt) ist. Wieso ihr Stadtratssohn, den sie seit Kindesbeinen als Umweltschützer kennt, da dafür ist?

Meine Mutter ist keine Naturwissenschaftlerin und keine Ingenieurin. Aber 73 und interessiert. Daher liest sie Zeitung und da werden Menschen zitiert, die genau "wissen", dass es ohne Kohle geht. Die im vollen Brustton der Überzeugung sagen (behaupten): „Ab sofort geht’s mit Gas und Sonne und Wind und Biomasse und Geothermie." Und es steht in der Zeitung. Und man hört es im Fernsehen.

Wo soll ich da anfangen? Wie’s erklären? Denn tatsächlich ist ohne eine profunde Kenntnis des modernen Energiehandels sowie der technisch-organisatorischen Voraussetzungen für den Strom aus der Steckdose vieles nicht zu verstehen. Nicht für die Bürgerinnen und Bürger, die ja die Leserinnen und Leser der Zeitung und die Zuschauerinnen und Zuschauer im TV sind; aber auch nicht für die meisten meiner journalistischen Kolleginnen und Kollegen.

Denn welches Medium leistet sich heute noch eine Umwelt- bzw. Technikredaktion? Wer traut sich noch, unschöne Wahrheiten zu sagen wie "Die Rufer nach dem regenerativen Strom sind oft dieselben, die sich darüber aufregen, dass der Strom wieder zwei Cent pro Kilowattstunde mehr kostet"? Oder: "Je höher der Spritpreis, um so weniger Sprit wird verfahren und um so weniger CO2 erzeugt (plus weitere Vorteile wie weniger Verkehrstote). Wer wenig fährt und ein spritsparendes Auto fährt, wird belohnt, andere bestraft. Ganz im Sinne des Klimas"? Solche Aussagen sind schlecht für die Quote, schlecht für die Auflage (und schlecht fürs Anzeigen- bzw. Werbespotaufkommen).

So kommt’s, nur so als Beispiel, dass zwar alle wissen (müssten), dass eine Maut auf der Autobahn für Pkw gut für die Umwelt und bei Umrechnen auf die Kfz-Steuer sogar kostengünstiger sein kann (denn dann zahlen die Ausländer auf deutschen Autobahnen mit) – aber wenn’s ein Politiker fordert, kriegt er sofort von den Medien eins auf die Mütze. Von allen übrigens, nur mit unterschiedlichen Beweggründen: von BILD wie von der taz, von den "Tagesthemen" wie vom "Unterschichtenfernsehen".

Doch zurück zum Heilig Abend Morgen, zurück zu meiner Mutter, zurück zur Kohle. Was konnte ich alles voraussetzen? Bzw. wie sollte ich es ihr erklären?

Kurzfassung einer Erklärung: Ich halte Kohlekraftwerke grundsätzlich auch für einen fossilen Scheiß. Nur dass der Ausstieg aus dem Atomstrom eine Übergangstechnik nötig macht, eben den Strom aus Kohle, damit wir 2050 immer noch ein wohlhabendes Land sind, aber mit Strom aus überwiegend erneuerbarer Primärenergie, vor allem aber ohne fossile Anteile. Gleichzeitig aus den zwei wichtigsten und günstigsten Stromquellen Atom und Kohle auszusteigen, ist ein Kraftakt, den unsere Hightech-Gesellschaft nicht schaffen kann. Das braucht Jahrzehnte. Vielleicht hätte ich’s meiner Mutter einfach so erklären sollen?

Meine Mutter hat das aber nach einer Stunde auch mit den vielen Fakten und Argumenten völlig verstanden. Und mich gefragt, warum ich das nicht allen und jedem erklären würde, damit klar werde, was geändert werden muss.

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