Schwarzrotes Fleischwerk

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Es war das schlechte Ende eines schlechten Theaterstücks. Bei dieser Meinung aus dem Gemeinderat bleibe ich. Schon nach dem ersten Akt (der ersten Beratung in einer Sitzung im Jahr 2007) wusste man den Ausgang. Sogar die schwarzroten Täter waren bekannt, auch wenn die sich noch eine Weile tarnten.

Schlecht war das Theaterstück, weil es zu viele Akte hatte und weil alles nach Schema F verlief. Ausgangslage, vor dem ersten Akt: Edeka will Fleischwerk bauen; das dafür ins Auge gefasste Grundstück gehört dem Land und ist landwirtschaftlich genutzt. "Dummerweise" ist/war das Grundstück nach baden-württembergischen Planungsrecht (also sozusagen mit Segen der Regierenden) als "Fläche für Naherholung" im Regionalplan ausgewiesen. Und noch "dummerweiser" hat die Landesregierung vor Jahren schon einen Nachhaltigkeitsbeirat einberufen, der die größte Schwachstelle der baden-württembergischen Nachhaltigkeitspolitik auch benannt hat: der immense laufende Verbrauch an Freifläche für Arbeiten und Wohnen. Seither zieht die Ba-Wü-Umweltministerin Gönner durchs Ländle und streitet für die Nutzung von Gewerbebrachen statt "Grüner Wiese" (das steht übrigens auch in fast jedem Wahlprogramm Karlsruher Gemeinderatsfraktionen, auch in den schwarzroten Programmen).

1. Akt: Rheinstetten sagt (trotzdem) ja – da leuchten schon die Eurozeichen in den Augen der Kommunalentscheider; Landesregierung sagt ja – weil die ja beim Verkauf eigener Grundstücke Geld verdienen; Karlsruher OB und schwarzrote Fraktionen sagen: "Wir müssen alles genau prüfen."

2. Akt: Widerstand in KA und (!) in Rheinstetten regt sich. Gutachter von Edeka treten auf den Plan, verwässern das Bild, versuchen den Betroffenen Sand in die Augen zu streuen: "Es ist alles nicht schlimm." Karlsruher OB und schwarzrote Fraktionen sagen: "Wir werden alles genau prüfen.".

3. Akt: Karlsruher OB will ein "Zielabweichungsverfahren". Nettes Wort: Mit erfolgreichem Abschluss desselben wird nicht festgestellt, dass keine Zielabweichung vorliegt; das würde ja sonst bedeuten, dass Gewerbenutzung der Naherholung dienen würde. Nein: Die Zielabweichung wird als "verträglich", als zulässig beurteilt. Karlsruher OB und schwarzrote Fraktionen sagen: "Wir werden alles genau prüfen."

4. Akt: Der Widerstand der Betroffenen wächst. Fantasievolle Aktionen verdeutlichen die kommende Problematik für die, die in der Nähe des geplanten Werks wohnen werden (mit dessen Bau sie aber beim Kauf ihrer Häuser nicht rechnen mussten, weil ja –> siehe Regionalplan).
Die Keule "Arbeitsplätze" wird von den Befürwortern geschwenkt. Wobei – typisch schlechtes Theater – glatt unterschlagen wird, dass über die gesamte Produktionskette vom Schlachthof bis zur Verpackerei netto Arbeitsplätze verloren gehen. Zudem freuen sich die an den bisherigen drei Standorten Beschäftigten (überwiegend Badener übrigens) natürlich "riesig", dass sie jetzt 70 bis 100 Kilometer jeden Tag pro Arbeitsweg fahren sollen. Oder halt kündigen dürfen. Karlsruher OB und schwarzrote Fraktionen sagen: "Wir werden alles genau prüfen."

5. Akt: Entscheidungen werden verschoben. Aber nicht, weil die Täter ernsthaft in Erwägung ziehen, den "Deal" platzen zu lassen. Alle wollen weiter Sand in die Augen streuen. Karlsruher OB und schwarzrote Fraktionen sagen: "Wir werden alles genau prüfen."

6. Akt und Schluss – Schwarzrot tritt auf: "In Abwägung aller Argumente und in Würdigung der vorliegenden Gutachten, wonach nichts Schlimmes zu befürchten ist, danken wir den Betroffenen für ihren Widerstand, stimmen daher dem Vorhaben zu, auch weil KA ja Rheinstetten nicht verbieten kann, Gewerbe direkt an der Gemarkungsgrenze ansiedeln zu können." (Wobei glatt unterschlagen wird, dass ja in Forchheim auch keine Begeisterung für das Fleischwerk besteht). Schlussmonologe – Karlsruher OB und schwarzrote Fraktionen sagen: "Wir haben alles genau geprüft."

Der Vorhang senkt sich. Kein Beifall. Der Theaterkritiker denkt sich: Noch nicht mal einen tragisch scheiternden Helden hat das Stück. Obwohl es so etwas sogar bei den Ötigheimer Volksschauspielen immer gibt. Nebenrollen allerorten, in allen Parteifarben. Den Bürgern bleibt nur die Komparsenrolle. Und sie bilden das Bühnenbild. Darauf einen Cognac, zum Runterspülen.

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