<ebi> Der Karlsruher Marktplatz (wie er früher war): Der Durchblick aufs Schloss zwischen zwei 50er-Jahre-Bauten hat mir immer gefallen. Ganz unabhängig davon, dass eines der beiden Gebäude, die jetzt gefallene ehemalige Volksbank, von einem renommierten Architekten stammte. Für mich war dieses Ensemble ein Beweis, dass Nachkriegsarchitektur attraktiv sein kann. Dass die 50er-Jahre einen Aufbruch verkündeten. Und “Aufbruch” oder “Veränderung” – das sind für mich keine negativ besetzten Begriffe. Jede Zeit hat ihre Kultur, ihre Sprache, ihre Zeichen, ihre Architektur.
Dann ging die Voba, es kam Newport. Der Investor wollte abreißen, weil seine (ursprünglich geplante, aber heute nicht umgesetzte) Nutzungmischung im alten Schelling-Bau nicht umsetzbar sei. Es gab einen Wettbewerb, aus dem – für mich überraschend – ein rückwärtsgewandter Entwurf hervorging: der “Lederer”. Und um den soll es in diesem Text eigentlich gehen. Gleich vorab: Ich habe notgedrungen meinen Frieden gemacht mit diesem Bau, gegen den ich als Stadtrat votiert und argumentiert habe. Er stört nicht, nimmt Elemente aus der Umgebung auf, ist weder klassizistisch oder “Neo-Weinbrenner” noch sonst irgendwie historisch verwurzelt. Er ist halt nur da, und “da” könnte für viele Orte auf der Welt stehen. Nutzbar im EG für heutigen Einzelhandel, ohne zu viele Schilder und ohne Vordächer sogar netter anzusehen als viele andere gesichtslose Gebäude entlang der Kaiserstraße. Von daher kann ich, wiewohl Gegner des Baus, die aktuelle Debatte in Leserbriefen und Gesprächszirkeln nicht so ganz verstehen: So ischs worre, hätt’ schlimmer komme kenne. Gebaut ist gebaut. Der Protest kommt viel zu spät <wie oft in KA; der Autor>.
Was ich mir aber weiterhin nicht vorstellen will: Dass die ganze Kaiserstraße-Nord zwischen Lamm- und Kreuzstraße mal so aussehen soll. So wurde es zwar von einer Mehrheit des Gemeinderats gegen unter anderem die Stimmen der KAL beschlossen; orts- und zeitlos, langweilig, ohne Signal für “Aufbruch” oder “Veränderung”. Eben nicht, wie vom damaligen Sprecher der CDU-Fraktion beschrieben als “zukunftsweisend”.
Noch ein einziges solches Gebäude auf der Westseite des Durchblicks zum Schloss – OK. Der andere 50er-Jahre-Bau muss halt jetzt fallen, um wieder ein Ensemble zu schaffen. Aber dann sollte Schluss sein! Darüber muss die Debatte jetzt gehen. Der Bebauungsplan muss wieder auf die Tagesordnung. Auch aus praktischen Gründen: Ich sehe nicht, dass in den nächsten Jahren viele Hausbesitzer in der Kaiserstraße dem B-Plan folgen wollen oder können. Manche werden nur sanieren, bei ihren Kolonnaden bleiben wollen. Auch die waren ein Zeichen der Veränderung nach dem Krieg: Die herrliche Bebauung davor war (damals aus finanziellen Gründen unwiederbringlich) zerstört, es musste Neues her. Wirklich Neues für die damalige Zeit.
Eine solche Forderung “B-Plan ändern!” aus Reihen der Stadtplaner und Architekten käme jetzt noch zur rechten Zeit. Noch ist außer dem Lederer-Bau ja nix passiert.
Abspann/Ortswechsel: Das zweite abzusehende Lederer-Unglück in der Herrenstraße ist leider nicht mehr zu verhindern. Wer einen Blick auf das Bild der geplanten Fassade als Ersatz für die Hofdrogerie wirft, dem graust’s. Wenn schon eine historische, zum Platz passende, von den Menschen geliebte Fassade fällt – dann doch nicht so! Aber auch hier: Der Protest kommt viel zu spät. Merke, lieber Leser, für die Zukunft: Dann einmischen, wenn Investoren oder der Gemeinderat über Planungen diskutieren und entscheiden – nicht erst wenn der Bagger rollt oder die Einweihung stattfindet.