Haushaltsrede der KULT-Fraktion, DHH 2019/2020, von KAL-Stadtrat Michael Haug

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„Städte sind die Orte, an denen wir uns versammeln, wo Demokratie entsteht und wo wir gemeinsam, gegen diejenigen, die uns die Freiheit nehmen wollen, demonstrieren.“

Dieses Bild stammt von Benjamin Barber, einem der einflussreichsten Politikwissenschaftler der USA. Es verdeutlicht meiner Ansicht nach sehr gut die zentrale Bedeutung von Städten für das Zusammenleben der Menschen. In den Städten konzentrieren sich nicht nur die zentralen Probleme der nationalen Gesellschaften, in ihnen findet sich auch das größte Potenzial zur Lösung der ökonomischen, ökologischen, kulturellen und sozialen Fragen. Städte sind zudem die Zentren, die unser Europa zusammenhalten und in denen Europa gelebt wird. Und dieses, unser Europa, ist der Rahmen, in dem wir denken müssen.

Ob und wie das Zusammenleben in unserem Gemeinwesen gelingt, das entscheidet sich in erster Linie in der gelebten Nachbarschaft. Menschen begegnen sich lokal, in ihrer Stadt. Völkerverständigung wächst zuerst zwischen Menschen – und nicht zwischen Staatsgebilden. Gleichzeitig nehmen Städte auch die globalen Herausforderungen verstärkt wahr. Karlsruhe antwortet darauf mit zunehmender internationaler Vernetzung und einer Neubestimmung der kommunalen Zusammenarbeit.

Um nochmal auf das Zitat von Benjamin Barber zurückzukommen: Wir in den Kommunen erfüllen eine wichtige Aufgabe in der Gesellschaft. Wir sind direkt bei den Menschen, spüren frühzeitig, wo der Schuh drückt. Wir müssen ins Gespräch kommen, bevor die Verdrossenheit wächst! Hier kann man gegensteuern, bevor sich der Schneeball zu einer Lawine auswächst – um ein Bild dieser Tage aufzunehmen.

Kurz gesagt: Die Kommunalpolitik ist die heimliche Königsklasse der Politik! Ich will dafür folgendes Bild verwenden: So wie der Kopf den Fächer zusammenhält, so wie das Schloss den Ursprung Karlsruhes darstellt, so halten auch die Kommunen Europa zusammen.

Wie fächern sich die Aufgaben in unserem Karlsruhe auf? Sehen wir uns gemeinsam an, was  Kommunalpolitik so wichtig für die Menschen macht und wo wir als KULT unsere Schwerpunkte setzen wollen.

1.     Der erste unserer neun Fächerstrahlen: Investitionen

Sie, Frau Erste Bürgermeisterin Luczak-Schwarz, haben Ihre Haushaltsrede unter die Überschrift gesetzt: „Gestaltungsspielräume für die Zukunft mit Verantwortung und Weitblick erhalten“. Und Sie haben uns über die außerordentlich positive Entwicklung der Finanzen berichtet. Daran hat der Haushaltstabilisierungsprozess sicherlich einen Anteil und die KULT-Fraktion ist diesen Weg mitgegangen. Für die KULT-Fraktion gab es keine Tabu-Bereiche, bei denen wir nicht zur Diskussion bereit waren. Wir sind allerdings der Überzeugung: Es kommt weniger auf die Feinsteuerung bei Ausgaben und Einnahmen an, als vielmehr auf die grundlegenden Änderungen in den Verwaltungsprozessen! Und diese strukturellen Veränderungen bei den Arbeitsabläufen in Richtung höherer Effizienz werden ihre Wirkung erst in ein paar Jahren zeigen!

Karlsruhe muss zudem weiter investieren: in Verbesserungen und in Neues. Die KULT-Fraktion möchte die von Ihnen, Frau Erste Bürgermeisterin, genannten Gestaltungsspielräume nutzen. Wir von KULT wollen mit diesem Haushalt in die Menschen investieren und dabei die strukturell Benachteiligten in der Gesellschaft im Auge behalten.

2.     Fächerstrahl Nachhaltig wirtschaften für die Zukunft

Karlsruhe muss attraktiv sein für seine Bevölkerung, als Wissenschaftsstandort und für neue Wirtschaftszweige. Für die Wirtschaft gilt es, die limitierten Gewerbeflächen intensiv zu nutzen – Qualität statt Quantität. Mit hochklassiger Ausstattung, einer zukunftsweisenden Anbindung und nachhaltiger Gestaltung. Den Wissenschaftsstandort wollen wir durch politische Unterstützung und entsprechendes Verwaltungshandeln fördern.

Was braucht das wachsende Karlsruhe noch? Unter anderem:

  • Mehr Wohnungen,
  • Einen gut funktionierenden öffentlichen Verkehr als Pfeiler des Mobilitätswandels – und das nicht auf Kosten der Umwelt!
  • Außerdem bestens ausgestattete Bildungseinrichtungen,
  • Geld und Unterstützung für Sport und Kultur – denn das sind wesentliche Bausteine einer lebenswerten Stadt.

Beim nachhaltigen Handeln ist für KULT noch ein weiterer Aspekt unabdingbar (und hier möchte ich Werner von Siemens zitieren):

„Für den augenblicklichen Gewinn verkaufe ich die Zukunft nicht.“

Für KULT bedeutet das: Keine Privatisierung, kein Profitstreben bei der Daseinsfürsorge. Stadtwerke, Volkswohnung, Klinikum, ÖPNV, Abwasser, Müll müssen in öffentlicher Hand bleiben. Nur so können wir als Stadt durch gemeindeeigene Unternehmen und Immobilien gestalterisch wirken. Die Stadt muss zudem ihre eigenen Zukunftsstrategien anpassen. Ich denke an Änderung des Verwaltungshandelns und die Digitalisierung.

3.     Fächerstrahl Moderne Stadtverwaltung und Digitalisierung

Wir wünschen uns eine handlungsfähige Stadt: Dafür brauchen wir gut ausgebildetes und gut ausgestattetes Personal an modernen Arbeitsplätzen. Investitionen in Personal und Computertechnik sind deshalb zentrale Forderungen von KULT.

Um attraktiv zu sein und Abwanderung zu vermeiden, muss die Stadt dabei über ein gutes Gehalt hinaus Weiteres bieten, vor allem einen frustfreien Arbeitsplatz. Modern, gut mit Technik ausgestattet und überdurchschnittlich gute soziale Leistungen. Hier ist einiges zu tun, denn wir konkurrieren bei kleinem Angebot mit Industrie, Handel und anderen Behörden. Hierzu brauchen wir in allen Bereichen mehr Stellen und Ausbildungsplätze.

Technik bedeutet in der Verwaltung heute zunehmend „digital“. Der mit dem zentralen Einkauf begonnene Weg muss bei E-Rechnung und Co. konsequent fortgesetzt werden. Nicht nur der Rechnungseingang soll elektronisch werden, sondern alle damit verbundenen Prozesse – ohne Medienbrüche. Richtig umgesetzt reduzieren digitale Prozesse den Aufwand und erleichtern nicht nur dem Personal der Stadt die Aufgaben. Auch die digitale Stadtverwaltung muss für die Bürger da sein, muss deren Bedürfnisse aufnehmen. Und die digitalen Angebote müssen es den Karlsruherinnen und Karlsruhern leichter machen: Leichter, direkt zu kommunizieren, Dokumente zu versenden oder Informationen zu finden. Auch das macht städtische Arbeitsplätze attraktiv und Bürger zufrieden.

Wir wollen, dass die städtische Open-Government-Strategie weiter nach vorne gebracht wird. Die Haushaltsgrundsätze Transparenz, Öffentlichkeit und Nachvollziehbarkeit sollen das Verwaltungshandeln bestimmen. Außerdem setzt KULT weiterhin darauf, die mediale Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger für demokratische Prozesse zu steigern. Wir werden deshalb den Antrag auf Livestream aus den Gemeinderatssitzungen erneut stellen. Die Bürgerschaft hat auch die Möglichkeit sich aktiv einzubringen: Bürgerbeteiligungen sind gerade bei städtebaulichen Themen wichtig, um die Perspektiven von Betroffenen und unterschiedlichen Interessensgruppen einzubinden. In der letzten Zeit gab es öffentliche Diskussionen zur Höhenentwicklung oder der Zukunft Innenstadt. Stadtplanung ist vielschichtig und muss deshalb gemeinsam durchdacht werden.

4.     Fächerstrahl Stadtplanung und Stadtentwicklung

Karlsruhe ist eine junge Stadt, aber auch hier gibt es Quartiere mit historischem Charakter. Ich nenne ein paar aus der aktuellen Diskussion: das Franz-Rohde-Haus, das Wohnquartier „Fasanengarten“, das Sophien-Carrée oder die Breite Straße in Beiertheim.

Das ist die Herausforderung der Stadtplanung: Neuen Raum für Karlsruherinnen und Karlsruher zu schaffen und gleichzeitig die Interessen jener, die hier schon lange und gerne wohnen, zu beachten. Also nach vorne zu schauen, ohne den Blick auf die gebaute Vergangenheit der Stadt zu verlieren. Der Schutz von Baudenkmälern, auch von nicht denkmalgeschützten, jedoch stadtbildprägenden Ensembles muss größer geschrieben werden!

Das wirkt sich besonders auf das Mittel der Nachverdichtung aus. Mit dem „Städtebaulichen Rahmenplan zur Klimaanpassung“ hat der Gemeinderat beschlossen, dass stadtklimatische Belange eine besondere Bedeutung haben. Wohnraumbeschaffung und Erhalt des Freiraums und des Grüns – diese Aufgaben haben gleichen Rang. Die aktuellen Entwicklungen in Karlsruhe zeigten: Anforderungen an die (klein-) klimatischen Auswirkungen bei Nach- bzw. Innenverdichtung müssen stärker berücksichtigt werden. Denn Urban-Heat-Phänomene werden in der Stadt zunehmen.

Verdichtung wirkt sich vielfach auf die Lebensqualität der bisherigen Bewohner der Quartiere aus. Im Sinne der doppelten Innenentwicklung muss es daher neben neuem Wohnraum auch stärkeren Schutz des Stadtgrüns samt Entwicklung zusätzlicher, qualitativ hochwertiger Grünflächen geben. Insbesondere in den Quartieren mit Blockrandbebauung!

Als Leitgedanke und Werkzeug setzt KULT wie die Verwaltung auf die sieben Stoßrichtungen des Räumlichen Leitbilds.

  • Klare Konturen
  • Grüne Adresse
  • Starke Mitte
  • Mehr Wohnen
  • Coole Quartiere
  • Dynamisches Band
  • Urbane Nähe

Nach den Merkmalen wollen wir unsere Quartiere entwickeln – unter Beachtung des bestehenden Stadtbildes und des Denkmalschutzes.

Gute Beispiele sind:

  • das Wohnungsband im Norden,
  • die Fläche des Technologieparks,
  • das C-Areal,
  • Oder die begonnene Entwicklung südlich des Hauptbahnhofs.
    Vor wenigen Jahren war das nur ein stadtplanerischer Traum, heute signalisieren schon die Kräne: Hier beginnt die Boomtown Karlsruhe!

Stadtentwicklung kostet Geld, bindet Ressourcen, vor allem Arbeitskraft in der Verwaltung. Aber es lohnt sich! KULT wird daher im Haushalt fordern: Die Verwaltung braucht mehr Köpfe fürs Planen und für die Umsetzung.

5.     Fächerstrahl Umwelt-, Arten-, und Naturschutz

Auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, bekommen derzeit sicherlich Briefe von Menschen, die sich um den Rückgang der Fluginsekten und dabei vor allem um den Rückgang der Bienen sorgen. Bedroht sind aber nicht nur Insekten. Unter deren stillem Sterben leiden beispielsweise auch Frösche, Fledermäuse und natürlich Vögel. Ursache dafür sind vor allem Monokulturen und Pestizide.

Die Stadt Karlsruhe setzt zwar auf öffentlichen Flächen keine Gifte ein. Es gilt aber mehr zu tun: Als nächste Schritte muss die Stadt Aussaat und Mahd optimieren, die Fristen verstärkt nach dem Lebenszyklus der Insekten richten und bei der Bevölkerung für blühende Vorgärten und grüne Höfe werben.

Diese ökologischen Zusammenhänge sind auch ein guter Anlass, um Kindern in Schulen oder Kitas Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit beizubringen. Wir stellen uns vor, dass die Stadt auf geeigneten öffentlichen Flächen Insektenhäuser einrichtet, unter Patenschaft von Vereinen, Schulen, Kitas oder Privatpersonen. Das kostet mehr Geld. KULT will das im Haushalt sehen.

Wir sehen gleichzeitig eine weitere wichtige Stellschraube, die wir als Stadtgesellschaft im Sinne des Klimaschutzes anziehen können: unser Verkehrsverhalten.

6.     Fächerstrahl Mobilität gestalten

Die vergangenen Jahre haben in Karlsruhe eines deutlich werden lassen: Unser öffentlicher Raum verändert sich und damit auch, wie wir Mobilität zukünftig nutzen werden – Stichworte: Carsharing und Bike-Sharing, Autonomes Fahren, E-Mobilität, Multimodalität. Und diese Mobilität muss stadt- und sozialverträglich ablaufen.

Auf der begrenzten Fläche treffen Nutzergruppen mit unterschiedlichsten Ansprüchen aufeinander. Dazu kommen gesetzliche Maßgaben sowie demographische und gesellschaftliche Entwicklungen im Mobilitätsverhalten. Für KULT ist nachhaltige und verträgliche Mobilität eine der zentralen politischen Herausforderungen unserer Zeit, gerade für den Klimaschutz!

Wir stützen unsere Erwartungen auf den Verkehrsentwicklungsplan der Stadt. ÖPNV, Rad- und Fußverkehr müssen sicherer, zuverlässiger und damit attraktiver werden.

Für die Umsetzung einer Mobilitätswende müssen wir in diesem Doppelhaushalt weiteres Geld in die Hand nehmen. Wir haben dazu verschiedene Ideen:

ÖPNV

Das Karlsruher Modell war einst das Musterbeispiel, wie ÖPNV attraktiv und nutzerfreundlich gestaltet werden kann. Doch das Image bröckelt: Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit gehen seit Jahren zurück. Die Akzeptanz bei den Nutzerinnen und Nutzern sinkt und viele steigen wieder aus Frust ins Auto um. Diesem Trend müssen wir politisch entgegenwirken. Und zwar schnell!
Die KULT-Erwartungen an den Nahverkehr:

  • bequem,
  • weitgehend elektrisch angetrieben,
  • ohne Belastung für einkommensschwache Haushalte,
  • pünktlich und zuverlässig,
  • für mehr Berufspendler als bisher,
  • ÖPNV als Zugpferd für einen Umstieg auf umweltfreundliche Mobilität.

Für einen höheren Anteil des ÖPNV am Verkehrsaufkommen braucht es daher:

  • günstige und angemessene Fahrpreise: ÖPNV für jeden! In der Konsequenz: hin zum fahrscheinfreien Fahren,
  • zuverlässige Angebote und Taktdichte,
  • Angebote für nachts oder früh arbeitende Menschen sowie das Ausgeh-Publikum. Stichwort: Nightliner.
Städtische E-Fahrzeugflotte

Seit 1900 fährt die Straßenbahn in Karlsruhe elektrisch. Es wird Zeit, dass auch die Stadtverwaltung bei ihrer eigenen Fahrzeugflotte konsequent umdenkt. Die Verkehrswende in der städtischen Flotte – und dazu gehören auch die Verkehrsbetriebe und ihre Linienbusse – erfordert aus Sicht der KULT-Fraktion ein Umdenken in drei Bereichen:

  1. Weg vom motorisierten Individualverkehr, hin zum intermodalen Umweltverbund,
  2. weg von Benzin und Diesel, hin zu Elektromobilität sowie Hybrid-, Wasserstoff- und Gasantrieb,
  3. bei der individuellen Mobilität hin zu deutlich kleineren (vor allem zwei- und dreirädrigen) Fahrzeugen.

Noch mehr Mitarbeitende der Stadt und der städtischen Konzerne sollen auf dem Arbeitsweg und bei Außer-Haus-Terminen die Möglichkeit haben, im Umweltverbund als Fußgänger, Radfahrer und ÖPNV-Nutzer unterwegs zu sein.

Diese Leitlinien helfen auch auf dem Weg zu einer verkehrsberuhigten, lärmarmen und innovativen Stadt. Karlsruhe erfüllt damit wichtige Kernvorgaben des Pariser Klimaschutzabkommens.

Für den Doppelhaushalt beantragen wir erneut mehr Geld für die Fahrzeug-Beschaffung und den Aufbau der Infrastruktur für E-Mobility. Ziel: ein städtischer Fahrzeugpool mit alternativen Antriebsarten und viel Zweirad.

Radverkehr

Wir alle hier können aus eigener Erfahrung bestätigen: der Anteil des Radverkehrs in unserer Stadt nimmt immer weiter zu. Und das ist absolut erfreulich, hat aber auch Konsequenzen:

  • Zu einer Fahrrad-Großstadt gehören adäquate Park- und Unterstellmöglichkeiten für Fahrräder, einschließlich Fahrradgespannen und Lastenrädern sowie dem dazugehörigen Fahrradgepäck. KULT setzt sich seit Jahren für ein Gesamtkonzept ein.
  • Wir brauchen mehr Investitionen in eine konfliktfreie Infrastruktur, in der sich Radfahrer im Verkehr sicher fühlen. Wir fordern mehr Geld für die Karlsruher Radverkehrsförderung: mindestens 15€ pro Einwohner!
  • Das lässt sich nur mit mehr Personal für die Radverkehrsförderung in den städtischen Ämtern realisieren: mehr Stellen für das Stadtplanungsamt, das Tiefbauamt und das Ordnungsamt zur Sicherstellung der städtischen Radverkehrsstrategie!
Lärm

Oft übersehen, aber ein enorm wichtiges Thema städtischer Mobilität: der Lärm. Ob Lieferverkehr, Müllabfuhr, Buslinien, Straßenreinigung oder der normale PKW-Verkehr; sie alle produzieren Lärm. Aus KULT-Sicht muss die Verkehrsplanung stärker darauf achten, die Bevölkerung vor den negativen Wirkungen des Verkehrs zu schützen. Das heißt auch: Mehr Geld für Lärmschutz! Wir denken hierbei – stellvertretend für viele Lärmgeplagte – an die Anwohner der Sudetenstraße in Knielingen und an Maßnahmen zum Lärmschutz. Diese Mittel wird KULT im Doppelhaushalt beantragen.

Brauchen wir mehr Raum für Verkehr? Oder mehr Raum zum Leben? Ich denke, Karlsruhe hat eine weitreichende Entscheidung getroffen: Kaiserstraße für Fußgänger, Autos unter die Kriegsstraße, insgesamt mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer. Eine belebte Innenstadt mit einem stadt- und sozialverträglicheren Mobilitätsverhalten kommt allen zu Gute und wird die Attraktivität unserer Stadt weiter steigern.

7.     Fächerstrahl Kultur und Kulturszene stärken

Auch die Kultur braucht Räume, Freiräume und Unterstützung. Kultur ist ein Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen. Politik muss daher Kulturakteure unterstützen und damit Vielfalt und Offenheit fördern. Das hat in Europa Tradition!

Eine vielfältige Kulturszene ist ein wesentlicher Baustein für ein „Lebenswertes Karlsruhe“. Uns von KULT ist das ein zentrales Anliegen. Bei der Realisierung setzen wir auf die Verwaltung mit dem Kulturamt als dem zentralen Weichensteller.

Neben den städtischen und staatlichen Kulturhäusern müssen auch in diesem Haushalt die Projekte der freien Kulturarbeit ausreichend Berücksichtigung finden: mit einer spannenden Mischung aus klassischen, traditionellen und zeitgenössischen Kulturgenres.

Die freien soziokulturellen Einrichtungen in den Stadtteilen – darunter auch junge, wie das P8 in der Nordstadt, der KOHI-Kulturraum in der Südstadt oder das Café NUN in der Oststadt – stehen für Vielfalt: Lesungen, Konzerte, Ausstellungen oder Poetry-Slam. Hier werden kulturelle Formen erprobt, die gerade in europäischen Städten inzwischen fester Bestandteil der Kulturlandschaft sind.

Der freien Kulturarbeit fehlt es allerdings oft an räumlichen Möglichkeiten, an „Locations“. Hallen oder Räume in Gewerbegebieten sind für die Off-Szene interessant. Ihre Industriearchitektur steht für den experimentierfreudigen Charakter. KULT wird deshalb eine Finanzierung des P8, eine Unterstützung des Café NUN und des KOHI beantragen.

Ein Glanzstück der Karlsruher Kulturszene ist der Kultur- und Kreativpark „Alter Schlachthof“. Dieses Areal für die boomende Kultur- und Kreativwirtschaft ist die Chance für Karlsruhe. Den kulturellen Kern, bestehend aus Substage, Alter Hackerei und Tollhaus, wollen wir stärken. Deshalb wird sich KULT unter anderem für die Förderung des ATOLL-Festivals und des neuen Zirkus in Karlsruhe einsetzen.

Wir stehen zu Investitionen in das Badische Staatstheater. Nur so bleibt das Vielspartenhaus ein Garant für ein herausragendes kulturelles Erlebnis, made in Karlsruhe. Nur durch Um- und Ausbau bleibt die Strahlkraft des Theaters über die Region hinaus erhalten. Was mir allerdings wichtig ist: Das Theater muss schleunigst die Betriebs- und Folgekosten durch Umbau und Sanierung durchrechnen, um effizienter zu werden!

Apropos Theater: – Das Theaterhaus an der Kaiserallee braucht ebenfalls mehr Unterstützung, für laufende Finanzierung, laufenden Bauunterhalt und für Verbesserungen. Marotte, Jakobus und das wie Phönix aus der Asche wieder auferstandene Sandkorn-Theater haben es verdient.

Liebe Kolleginnen und Kollegen: mit meiner Liste der Notwendigkeiten in der Kultur bin ich noch nicht am Ende.

  • Der Umbau der Dragonerkaserne für das KONS
  • Das Jugendorchester braucht neue Räume.

Und wie der Oberbürgermeister ähnlich formuliert hat: Eine neue Stadtbibliothek für jedes Alter hat sowohl zentrale Bedeutung für Kultur und Bildung, siehe Kulturkonzept, als auch für die Stadtentwicklung rund um den Kronenplatz. Hier kann eine Mediathek des 21. Jahrhunderts entstehen.

Das Highlight greife ich zum Schluss auf: Das ZKM ist unser kulturelles Aushängeschild mit Weltbedeutung. Die dort entwickelten Techniken zur Nutzung neuer Medien sowie die kritische Auseinandersetzung mit den Konsequenzen für die Gesellschaft sind nicht nur für die Städte von Bedeutung. Dieses Highlight braucht nicht nur mehr Geld. Vor allem gilt es, im Zeitraum des nächsten Doppelhaushalts ein Konzept zu entwickeln für eine kaum vorstellbare Ära ohne Professor Peter Weibel. Karlsruhe darf hier keine Zeit verlieren: Zu wichtig ist das ZKM für uns, zu schwer zu ersetzen dessen Chef. Konsequenterweise werden wir das 30. Jubiläum im Doppelhaushalt unterstützen.

Das ZKM macht übrigens Kultur mit seiner Ausstellung „Open Codes“ kostenlos für alle zugänglich. Dieses niederschwellige Angebot sichert die Teilhabe aller Interessierten. Der Aspekt Teilhabe muss aus KULT-Sicht auch die Überschrift der städtischen Sozialpolitik sein.

8.     Fächerstrahl Soziale Stadt Karlsruhe

Städtische Angebote – für alle zugänglich. Nicht der volle oder der leere Geldbeutel der Einzelnen darf die Lebensqualität bestimmen.

Es ist unsere Aufgabe, jedem die Möglichkeit zu geben, mitzukommen.

Mitzukommen – das gilt schon vor der Geburt. Damit kleine Karlsruherinnen und Karlsruher sicher in das Stadtleben starten können, müssen wir etwa Hebammen unterstützen. Die Situation der Hebammen hat sich in den letzten Jahren nicht verbessert. In Karlsruhe bietet keine Hebamme mehr Hausgeburten an. Viele werdende Mütter suchen lange und zum Teil vergeblich nach einer Hebamme für die Nachsorge. Unsere Stadt sollte den Hebammen eine gute Arbeitsumgebung bieten und sie unterstützen – zum Beispiel durch ein von der Stadt finanziertes Geburtshaus.

Mitzukommen – in der Schule: Wir müssen in einer heterogenen Schullandschaft Schulkinder mit verschiedenen Problemlagen berücksichtigen. Schulsozialarbeit ist unverzichtbar. Schulsozialarbeit fördert junge Menschen in ihrer individuellen, sozialen und beruflichen Entwicklung. KULT setzt sich in diesem Haushalt für eine bedarfsgerechte Aufstockung der Schulsozialarbeit ein.

Mitzukommen dank Ganztagesbetreuung – Entlastung des Familienalltags durch eine verlässliche Ganztagesbetreuung in beitragsfreien Kindertageseinrichtungen. Dieses langfristige Ziel behält KULT im Auge. Wir wollen durch Abschaffung des letzten kostenpflichtigen Bildungsangebots Chancengleichheit schaffen. Wir müssen städtische, wie freie Träger einbinden, um uns über Qualität und Standards zum Wohle unserer Kinder einig zu werden.

Mitzukommen – mit dem Karlsruher Pass: Er macht die Teilhabe aller Menschen – auch der finanziell Schwachen – an den Angeboten und Leistungen dieser Stadt möglich. Deshalb sind wir nicht zufrieden, dass kaum die Hälfte der Berechtigten den Pass beantragt. Jeder einzelne Berechtige muss auf seinem Weg abgeholt werden. Jeder einzelne muss über unser sehr vorbildliches Angebot informiert sein. Fakt ist: wenn wir wirklich alle erreichen wollen, muss eine neue Werbestrategie her.

Jugendliche mitzunehmen – in die Mitte der Stadtgesellschaft. Gegen Teilnahmslosigkeit oder gegen Hinwendung zu politischen Extremen. Der Anteil Jugendlicher mit massiven Anpassungsschwierigkeiten und multiplen Problemen nimmt zu. Dabei reichen die Problemlagen vom Schulverweigerer mit Angststörung bis zum traumatisierten Geflüchteten. Für diese Menschen setzen wir uns mit unseren Haushaltsanträgen ein.

Mitzukommen – dank Straßensozialarbeit: Die aktuellen Entwicklungen rund um den Indianerbrunnen verlangen ein stärkeres Engagement der Stadtgesellschaft. KULT setzt auf Unterstützung und Integration. Ausgrenzung und Repression führen in falsche Richtungen. Schon einmal gelang Sozialarbeitern die Integration der Gruppen am Werderplatz ins Stadtteilleben. Mit klaren Absprachen und Regeln hatte sich die Situation entspannt. Wir brauchen deshalb Straßensozialarbeit, die ergänzend zum neuen Drogenkonsumraum und den Alkohol Akzeptierenden Aufenthaltsraum A3 eingeplant wird.

Wir wollen auch diejenigen mitnehmen, die aufgrund einer Behinderung oder Krankheit spezielle Rahmenbedingungen benötigen. Inklusion ist ein Menschenrecht, Inklusion darf nicht als Kostenfaktor gesehen werden, es geht um Menschlichkeit. Hier steht die Einzigartigkeit eines jeden Einzelnen im Vordergrund! Es ist unsere Pflicht, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Menschen, die Unterstützung im Alltag benötigen, am gesellschaftlichen Leben dieser Stadt teilhaben können. Ein erster Schritt dazu: Die Rücknahme der Kürzungen beim Fahrdienst für Menschen mit Behinderung. Ein weiterer wichtiger Schritt: mehr Personal, vor allem im Bereich der Eingliederungshilfe.

Ein wesentliches Merkmal unserer Haushaltsanträge bleibt die Unterstützung freier Träger und kleiner Initiativen; besonders für jene, die sich um Menschen kümmern, die am Rand der Stadtgesellschaft leben.

Einer der wichtigsten sozialen Faktoren in einer Stadt ist passender Wohnraum. Dringend brauchen wir bezahlbare Wohnungen – auch und gerade für einkommensschwache Familien. Darunter bezahlbaren Wohnraum mit mehr als drei Zimmern. Barrierefreie Wohnungen wiederum werden nicht nur im Alter benötigt: Auch Familien mit pflegebedürftigen Kindern suchen solchen Wohnraum. Deshalb wollen wir von KULT den Anteil an mietpreisgebundenen Wohnungen erhöhen und stellen dahingehend einen Antrag.

KULT will all denjenigen eine Stimme geben, die keine haben.

Wir, der Gemeinderat, kann Weichen stellen, um alle – oder zumindest möglichst viele – Menschen ins Stadtleben zu integrieren: Menschen mit Behinderung, finanziell Schwache, Kinder, die uns als Lobby brauchen.

Wir geben uns nicht mit einer ausreichenden Unterstützung zufrieden. Wir wollen das Bestmögliche erreichen!

Wenn niemand das Gefühl hat, abgehängt zu sein, sinkt auch die Politikverdrossenheit und das Irr-Gefühl, nur am extremen politischen Rand Gehör zu finden. KULT unterstützt deshalb Initiativen, die sich gegen Rechts engagieren.

Ich komme zum Schluss:

9.     Fächerstrahl Lebendiges Karlsruhe und Offene Gesellschaft

Die Schlosslichtspiele – Wer hat dieses Karlsruher Großereignis nicht schon genossen und sich dabei an der Vielfalt und dem Sprachengewirr vor dem Schloss erfreut? 350.000 Besucher aus unterschiedlichsten Ländern sind in diesem Jahr zu den Schlosslichtspielen gekommen. Das ist mehr als unsere Stadtbevölkerung. Vor allem unsere französischen Freundinnen und Freunde kommen zu uns; über eine Staatsgrenze, die so nicht mehr existiert. Das ist Europa!

Wir hier im Gemeinderat sind uns sicher fast alle einig, welchen Wert Europa für unser aller Zusammenleben und für unseren Alltag hat. Europa ist oft unsichtbar, und deswegen so wertvoll, weil es so selbstverständlich geworden ist.

Schon in seiner Gründung war Karlsruhe auf Vielfalt angelegt. Wie Sie, Herr Oberbürgermeister, es immer wieder betonen: Karlsruhe ging es in seiner Geschichte dann am Besten, wenn es offen war und die Vielfalt zugelassen hat. Die Vielfalt in Karlsruhe und innerhalb Europas ist großartig. Sie gilt es zu erhalten und dabei regionale Identitäten zu wahren.

Dieser Fächerstrahl „Lebendiges Karlsruhe“ steht für Vielfalt, Toleranz, eine offene Gesellschaft und Humanität. Er wendet sich entschieden gegen Rassismus, populistische Angstmacherei und Intoleranz. Der Strahl geht durch die Mitte des Schlosses, über den Platz der Grundrechte auf den Marktplatz – in das politische Herz der Stadt und weiter zur Verfassungssäule. Das ist die Achse, auf der wir uns bewegen:

Grundrechte und Verfassung, dazu noch Toleranz, das ist das, was eine offene Gesellschaft ausmacht. In Karlsruhe und in Europa.

An diesem Ziel einer offenen Gesellschaft wollen wir von KULT mit Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch im nächsten Haushalt arbeiten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Es gilt das gesprochene Wort)
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