Haushaltsrede Doppelhaushalt 2013/2014

Veröffentlicht von

DHH 2013/2014 – Haushaltsrede der Karlsruher Liste

 Haushaltsredner: Dr. Eberhard Fischer.

Lassen Sie mich mit ein paar politischen Unkorrektheiten starten:

Ein Oberbürgermeister verdient zu wenig.
Jeder regionale Sparkassenchef kriegt mehr Gehalt.

Zweitens: Karlsruhe geht es gut – da müssen der Gemeinderat und die Verwaltung einiges richtig gemacht haben, auch wenn jede Woche was anderes in der Zeitung steht.

Und zum Schluss: Ein Bürgerentscheid ist der GAU, der größte anzunehmende Betriebsunfall bei der Bürgerbeteiligung und kein Glanzlicht der Demokratie.

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren,

ich hoffe, Sie sind wieder wach für Rede Nummer 5.

Warum habe ich diese drei Sätze an den Anfang gestellt? Weil mich der Eindruck antreibt, dass in den vergangenen Jahren – und zunehmend – political correctness über „klarer Kante“ steht. Dass wir uns sprachlich und inhaltlich verbiegen, um nirgends anzuecken.
–    Wir sagen sogar dann Migrant statt Ausländer, wenn es um Menschen geht, die gar keine Migranten sind, wohl aber Ausländer.
–    Gemeinderatsvorlagen sind so umständlich geschrieben, dass selbst manche Experten weder das Problem erkennen, noch dessen Lösung verstehen.
–    In der öffentlich geführten Debatte erklärt kaum noch jemand konkret und klar, um was es geht, wo der Knackpunkt liegt.
–    Selbstverständlichkeiten wie „die Kanzlerin verdient zuwenig in Anbetracht ihrer Verantwortung und Aufgabe“, darf keiner mehr sagen, ohne geballte Medienkritik auszulösen. Meine Fraktion spricht es aber trotzdem aus: Der Oberbürgermeister einer Großstadt verdient mit Besoldungsstufe B10 nicht schlecht, aber zu wenig. Dies umso sichtbarer angesichts der Gehälter mancher kommunaler Geschäftsführer.

Politik und Demokratie

Political correctness und unklare Aussagen sind schlecht für die Demokratie. Und die ist die beste aller Regierungsformen, weil sie alle Frauen und Männer an den Entscheidungen beteiligt. Doch jeden Tag stänkert jemand dagegen. Den Kritikern in Leserbriefen, Internet-Foren oder bei Bürgerversammlungen rufe ich zu: „Geht doch rüber“.
Sprich: lebe doch mal in China oder Kuba oder irgendeinem System, wo einer bzw. wenige bestimmen, wo’s lang geht.

Politik, also die Steuerung von Staat und Gesellschaft, ist mit Demokratie untrennbar verbunden. Und die deutsche, die Karlsruher Politik ist weit besser als ihr Ruf. Das muss aber auch laut gesagt werden!
Ganz unkorrekt fordere ich die Verantwortung der Medien ein. Denn wer etwa im OB-Wahlkampf oder bei Beratungen im Gemeinderat ständig mehr „Streit“ fordert, statt den Wert der ähnlichen Einschätzungen, das Ringen um einen Kompromiss oder gar einen Konsens anzuerkennen, der trägt mit Schuld an dem Abwenden der Bürger von unserem System. Die Wahlbeteiligung ist dafür ein Zeichen.

Die Karlsruher Liste bezeichnet den Zustand unserer Demokratie als „reif“. Eine solche Gesellschaft ist weit schwieriger zu steuern als eine Demokratie am Tag Null. Als Beispiel führe ich die Bundesrepublik nach dem Krieg an. Beispiel Karlsruhe: Der viel beschworene OB Günther Klotz hätte heute weder Lust auf sein Amt noch eine Chance. Denn wir leben heute in einer Demokratie der unzähligen Einzelinteressen. Die gilt es auszutarieren. Dies werden wir auch in den kommenden Haushaltsberatungen erleben. Die große Entscheidung, die schnelle Umsetzung binnen Wochen – das geht heute nur selten. Und das müssen wir Politiker als Mitverantwortliche deutlich und öffentlich sagen.

Damit die Menschen diese und andere, oft unliebsame Botschaften hören und glauben, dafür braucht es den zentralen Wert „Vertrauen“. Dieses Vertrauen ist bei vielen verloren gegangen. Alle Entscheider und Multiplikatoren sind aufgerufen, um die Wiedererlangung zu kämpfen. Und alle Bürgerinnen und Bürger sind aufgerufen, einen Vertrauens¬vorschuss zu geben. Sie sind ja Teil des Interessensgeflechts. Sie können ja in dieser Stadt bei Entscheidungen mitwirken, sich beteiligen.

Bürgerbeteiligung ist kein Modewort. Auf Bürgerbeteiligung in allen Facetten, von reiner Information in Projektvorstellungen bis zu direktem Einfluss auf Entscheidungen kann eine reife Demokratie nicht verzichten.

Die allerwichtigste Beteiligungsform ist allerdings die Teilnahme an Wahlen.

Verfassungsgerichtspräsident Professor Andreas Voßkuhle zeigte bei der spannenden Podiumsdiskussion der Verfassungsgespräche 2012, an der unter anderem Ministerpräsident Winfried Kretschmann teilnahm, die Vorteile der parlamentarischen Demokratie auf: Volksvertreter gleichen die Einzelinteressen besser aus und sind in der Regel bei komplexen Entscheidungen auch umfassender informiert.
Der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude machte die Vorteile der direkten Demokratie deutlich, Zitat: „Die Strapazen früher Bürgerbeteiligung muss man auf sich nehmen, den Bürgern von Anfang an reinen Wein einschenken.“ Dieses Zitat lege ich Teilen der Stadtverwaltung ans Herz: Nehmt die Betroffenen ernst, auch wenn sie nicht vom Fach sind und selbst wenn sie mal nicht recht haben.

Für die Karlsruher Liste ist die gerade zu Ende gegangene Konsensuskonferenz zur „Stuttgarter Straße“ ein Vorbild. Wichtige Erkenntnis daraus: Wer sich auf solche Prozesse mit repräsentativ ausgewählten Personen einlässt, muss auch das Ergebnis akzeptieren. Das gilt zum einen für die so genannten Stakeholder, also Interessenvertreter wie die Bürgervereine oder wie Lobbygruppen.
Das gilt zum anderen für die politischen Gruppierungen.

Kurzer Blick zurück zu City 2015: Auch damals hat zum Abschluss der Bürgerbeteiligung eine repräsentativ ausgewählte Gruppe über die Vorschläge der überwiegend mit Interessenvertretern besetzten Arbeitsgruppen abgestimmt. Fast alle Vorschläge haben die Repräsentanten unterstützt – nur bei einem, sehr wichtigen Punkt haben sie konträr zur Mehrheit der Arbeitsgruppen entschieden: Sie votierten für die Straßenbahn im Tunnel.

Das Ergebnis, damals weiter legitimiert durch einen Bürgerentscheid, können Sie mittlerweile draußen vor der Rathaustür sehen: Die Kombilösung als größter städtebaulicher Eingriff in die Stadt seit dem Wegräumen der Weltkriegstrümmer hat die City im Griff. Unvermeidbar, was das Ausmaß angeht; unerwartet die mangelnde Leistung des beauftragten Bauunternehmens; unbefriedigend, wie mit den direkt betroffenen Geschäften und Anwohnern umgegangen wird. Die KAL fordert im Chor mit anderen hier im Gemeinderat und außerhalb einen besseren, unbürokratischeren, kulanteren Umgang mit den Betroffenen. Die tolle neue Stadt darf nicht auf Kosten von jenen gehen, die dort leben.

Die Besucher der Innenstadt und die Verkehrsteilnehmer will ich mit Mannheim trösten: Auch dort wird gebuddelt und die „Monnemer“ glauben sogar, in der Welthauptstadt der Baustellen zu leben. Eine neue Stadt wächst offensichtlich nirgends über Nacht.

Zurück zum Bürgerentscheid 2002: Der ging 56 zu 44 aus. Die Fronten hat er genauso wenig befriedet wie vor einem Jahr die landesweite Abstimmung über Stuttgart 21. Bürgerentscheide sind, im Gegensatz zu Äußerungen eines Kandidaten im OB-Wahlkampf, eben kein Allheilmittel.
Ganz im Gegenteil: Sie sind der größte anzunehmende Betriebsunfall bei der Bürgerbeteiligung.
Sie führen zu einer Entscheidung, aber nicht zu einem Konsens.

Und sie lassen auch keine komplexen Lösungen zu, weil nur „ja“ oder „nein“ als Antwort zulässig ist. Konkretes Beispiel: Wenn Grundstück an der Autobahn gefunden und nicht zu teuer, dann dort Stadion; sonst Ausbau Wildpark.
So eine Entscheidung geht im Bürgerentscheid nicht, wohl aber im Gemeinderat.

Vor diesem Hintergrund will der Gemeinderat natürlich laufend wissen, was die Menschen in der Stadt und im Umland wirklich wollen. Nicht nur die Meinung der üblichen Verdächtigen ist gefragt. Eine aufwändige Antwort gibt einmal im Jahr die Bürgerumfrage. Die Karlsruher Liste schlägt ergänzend ein repräsentativ angelegtes Bürger-Panel vor, wie in Hannover. Daran beteiligen sich dort fast 3.000 Einwohner. Die erste Online-Befragung dort zum Verkehr brachte interessante Ergebnisse: Die standen nämlich konträr zur öffentlichen Debatte.

Das ist ganz was anderes als die häufigen willkürlichen Befragungen im Web, die durch Lobbygruppen und Aktivisten dominiert werden.

Infrastruktur, Kitas und Generationengerechtigkeit

Der Gemeinderat, die Verwaltung und die Bürgerinnen und Bürger, egal ob nur Wähler alle fünf Jahre oder sich aktiv Einbringende, dürfen dabei den Grundsatz der Generationengerechtigkeit nicht aus den Augen verlieren. Und dieser Grundsatz hat wie eine Unternehmensbilanz zwei Seiten: Aktiva und Passiva; Infrastruktur versus Schulden.

Was muss den nächsten Generationen wie hinterlassen werden? Die von uns zu schaffende Infrastruktur kostet Geld, Stichwort Schulen. Die übrigens, auch das muss gesagt werden, in Karlsruhe viel besser als in vielen anderen Städten und Gemeinden dastehen.

Das Kapital sind in Deutschland die ausgebildeten Köpfe. Die Fähigkeit zur Bildung entsteht schon vor der Schule. Deshalb sind Kindertagesstätten ein Baustein für Generationengerechtigkeit. Die Schwierigkeit: Es hängt in Karlsruhe nicht am Geld für Aus- oder Neubau. Es hängt eher an von Nachbarn akzeptierten Bauplätzen und vor allem an Erziehern und Erzieherinnen. Und da hängt es doch wieder am Geld: Ohne deutlich bessere Entlohnung wird dieser Beruf für Familienernährer nicht interessant. Und dabei erwarten wir doch ständig mehr von diesen Betreuerinnen, Erziehern, Werktagseltern. Wenn also für diesen Beruf eine bessere Bezahlung notwendig wird, dann muss dies die Stadt bei den Zuschüssen an die Träger berücksichtigen.

Die Karlsruher Liste steht hinter allen vorgeschlagenen Maßnahmen zum Ausbau der Kitas, auch wenn das Schulden zur Folge haben sollte.

Haushaltslage – Schulden und Fremdkapital im Konzern Stadt

Schulden sind das Stichwort für einen zentralen Aspekt der Politik in Zeiten der Schulden¬bremse. Wie geht es Karlsruhe? Hier muss auch die Verwaltung viel deutlicher machen, dass die Stadt in den vergangenen über 15 Jahren meist einen Gewinn ausgewiesen hat. Muss herausstellen, dass die Verschuldung auf ein Drittel abgebaut wurde. Das weiß der Großteil der Öffentlichkeit nicht, wie ich immer wieder in Diskussionen mit Bekannten und Unbekannten feststelle.

Schulden kommen von Darlehen. Darlehen sind angesichts der vielen notwendigen Investitionen, einige wurden heute genannt, ein unverzichtbares Finanzierungsinstrument. Beim nächsten Wirtschaftsboom werden die Kredite wieder getilgt.
Dies gilt für auch für die Schulden der städtischen Unternehmen. Dabei will ich klarstellen: Die Schulden der städtischen Unternehmen, also das Fremdkapital, werden offen, nämlich über die Wirtschaftspläne und Bilanzen im Doppelhaushalt der Stadt ausgewiesen.

Viel mehr als die Schulden für Investitionen drücken die Städte inklusive Karlsruhe die sich öffnende Schere zwischen wachsenden laufenden Ausgaben und den langsamer wachsenden Einnahmen aus Steuern, Abgaben und Zuweisungen.
Die Sozialtransfers und die Personalausgaben sind hier der größte Kostenfaktor. An den Sozialausgaben können wir wenig ändern, können nur bei Bund und Land auf die Einhaltung des Konnexitätsprinzips „wer bestellt, bezahlt“ drängen.

Bei den Personalausgaben kann man nur durch Stellenabbau Kosten senken. Allerdings, siehe Kita-Ausbau, werden in manchen Bereichen deutlich mehr Stellen gebraucht. Oder bei der Sauberkeit, nach den Bürgerumfragen eines der zentralen Themen für die Karlsruherinnen und Karlsruher. Für die Stadtreinigung stehen im Haushaltsentwurf mehr Stellen und Maschinen – positiv aus KAL-Sicht.

Aber warum um Himmels willen binden wir uns noch eine zusätzliche Aufgabe ans Bein, eine, die noch dazu Landesaufgabe ist? Warum KOD? Selbst im Deutschen Städtetag gibt es kein eindeutiges Pro für städtisch bezahlte Sheriffs. Deren Aufgabenfülle führt zudem dazu, dass nur wenige der hohen Erwartungen der Bürgerschaft an den Ordnungsdienst erfüllt werden können. Dazu wäre eine Verzehnfachung der Stellen nötig. Die betrauten Personen bräuchten eine Ausbildung wie Polizisten plus Moderationskenntnisse plus Grundkurs Psychologie plus Sozialarbeiterfunktion. Malen Sie sich mal den Gehaltstarif aus! Wer soll das bezahlen? Die Städte sollten sich vielmehr stark machen für mehr Landespolizisten. Und Karlsruhe sollte den KOD mittelfristig wieder abschaffen.

Bildung und kommunale Verantwortung

Wir haben andere Aufgaben angesichts der Generationengerechtigkeit. Etwa Bildung von der Wiege bis zur Bahre. Das Wort Bildung steht hier als Synonym für ein Gemenge aus Kompetenzvermittlung, Erziehung, Sozialisierung der Kinder und Jugendlichen. Bildung bis zur Bahre umfasst auch die Erwachsenenbildung oder die Angebote zur Integration. Die Gesellschaft sollte zum Beispiel die Volkshochschule viel stärker als wichtigen Weiterbildungsträger begreifen, als Helferin bei der Integration nutzen etc. Die Leistungen ließen sich auch mit dem hervorragenden Karlsruher Pass koppeln.

Zurück zu Bildung und Sozialisierung der nachwachsenden Generation: Dieser Prozess geschieht nicht nur in Kitas und Schulen. Dies findet auch im Sport und in kulturellen Projekten statt. Die Stadt unterstützt diese Aufgabe durch die Programme „Schule und Verein“ bzw. „Schule und Kultur“ – gut so!

Die größte Kultureinrichtung heißt bekanntlich Badisches Staatstheater. Und auch wenn dessen Baumaßnahmen dezidiert noch nicht im Haushalt stehen: Den Grundstein für die Sanierung des alten Hauses und den Neubau für Werkstätten und Schauspiel legen wir im Jahr 2013 durch den Auftrag zur Planung.

Deshalb stellt die Karlsruher Liste heute dar, unter welchen Umständen wir bereit sind, diese kostenträchtige Investition zu unterstützen:
1. Das Staatstheater muss sich verstärkt in den eben skizzierten Bildungs- und Sozialisierungsprozess einbringen.
2. Die Mission des Theaters muss die eines Theaters für alle sein.
3. Um- und Neubau müssen zu erhöhter Wirtschaftlichkeit durch höhere Einnahmen und zu sinkenden Betriebskosten wie spezifischer Energieverbrauch, Personalaufwand oder Sachkosten führen.

Für diese ersten drei Prämissen sehen wir bereits positive Signale von Intendant Peter Spuhler und vielversprechende Ansätze.

Prämisse Nummer 4: Wir erwarten eine tatkräftige Eigen-Beteiligung der Bürgerschaft, auch von den Einwohnern der Region. Wenn nicht von Großspendern wie in Heidelberg, dann von vielen Stammbesuchern. Nach dem Baustein-Prinzip „Bezahle ein Stück vom Theater“. Was beim Zoo geklappt hat, mit vielen großen und kleinen Spenden, muss beim Theater ebenfalls versucht werden!
Hierzu regt die KAL auch eine Online-Spendenbox an, ein richtiges „Crowdfunding“ wie in den USA beim Präsidentenwahlkampf.

Verkehr

Im Bereich Verkehr gab es einen Beteiligungsprozess, um den Verkehrsentwicklungsplan VEP aufzustellen. Positives Ergebnis: In einer Art Konsens setzte sich jenes Zukunfts¬szenario durch, das sich am eindeutigsten an den Menschen in der Stadt orientiert. Fußgänger-, Rad und öffentlicher Verkehr werden gestärkt. Autos fahren weiter, aber in den Wohngebieten langsamer und vorzugsweise weniger.

Jetzt gilt es, auch mit dem neuen Haushalt, den VEP in die Praxis umzusetzen.
Etwa mit attraktiveren Fußwegen und mehr Aufenthaltsqualität in der City und den Stadtteilen. Mit Sorge betrachtet die Karlsruher Liste hier die Entwicklung auf dem Friedrichsplatz, einem der schönsten Innenstadtplätze. Dessen entspannten Charme dürfen wir nicht durch unzählige, zum Teil beliebige Großfestivitäten zerstören; auch nicht temporär während der Bauzeit auf dem Marktplatz. Das Konzept für Fußgänger umsetzen heißt stattdessen, das Plätzekonzept jetzt endlich zu fixieren.

Ein Friedrichsplatz ohne Riesenfeste bringt auch was für die Radler, deren City-Route genau dort verläuft. Der VEP lobt das jetzt auch in Berlin prämierte Radverkehrskonzept – zur Erinnerung: Das entstand durch hartnäckiges Drängen von Teilen des Gemeinderats und der Verkehrsverbände.

VEP umsetzen beim Autoverkehr: durch mehr Lärmschutz, geringeres Tempo oder Abdrängen des Durchfahrtsverkehrs, auch als Beitrag zum Klimaschutz. Dies schließt ein den zweistreifigen Umbau der Herrenalber Straße in diesem Doppelhaushalt.

Am schwierigsten wird das Umsetzen beim ÖPNV. Nach Jahren des Rückenwinds für das weltberühmte Karlsruher Modell mit Verbindung des Regionalverkehrs umsteigefrei zur City weht jetzt ausgerechnet aus dem grünen Landesverkehrsministerium der Wind entgegen.

Beispiel 1: Das Ministerium muss sich endlich zum Bürgerentscheid bekennen.
Das bedeutet:
a) die gesamten förderfähigen Kosten der Kombilösung zu bezuschussen.
b) der menschengerechten, nicht mehr trennenden Kriegsstraße keine weiteren Hindernisse in den Weg zu legen.

Die Landesregierung hat sich doch mehr Bürgerwillen aufs Tapet geschrieben! Bei Stuttgart 21 wird sie nicht müde zu betonen, dass der Volksentscheid gilt. Und dort sind wir bei einer Vervielfachung der ursprünglichen Kosten; ganz im Gegenteil zur Kombilösung, wo wir uns seit der Kostenkalkulation 2004 auf dem Pfad der üblichen laufenden Teuerung von Baumaßnahmen bewegen.

ÖPNV-Beispiel 2: Die Landesregierung hat besseren Nahverkehr in den Koalitionsvertrag geschrieben, unter anderem mit der Förderung des Neukaufs von Straßenbahnen. OK, das scheitert am fehlenden Geld. Aber warum wird das Karlsruher Modell durch eine den lokalen Umständen nicht angepasste Ausschreibung gefährdet. Werden jetzt sehr gute, europaweit nachgeahmte Modelle geopfert, weil die frühere schwarzgelbe Landesregierung mit der DB zu teure Streckenpreise vereinbart hat?

ÖPNV-Beispiel 3, in Verantwortung der am KVV beteiligten Land- und Stadtkreise: Die Preise gehen hoch, die Leistung geht runter.

ÖPNV-Beispiel 4: Pendler vom Auto in die Stadtbahn zu bringen muss schon aus Klimaschutzgründen ein zentrales Ziel sein. Doch auch hier sehe ich etwa bei Landkreisen in der Südpfalz und bei der dortigen Landesregierung wenig Bewegungsfreude.

Kolleginnen und Kollegen, hier müssen wir zusammen mit dem zukünftigen Oberbürger¬meister Überzeugungsarbeit leisten: gegen kurzsichtige Preispolitik und für den Ausbau des ÖPNV nach dem Karlsruher Modell.

Denn wenn im morgendlichen Berufsverkehr die Menschen aus nur 600 Pkw Stadtbahn fahren würden, wäre das Problem „stockender Verkehr vor dem Knielinger Pförtner“ erledigt. Das war ein klares Ergebnis des Faktenchecks zur Rheinquerung bei Karlsruhe, den wir hier einstimmig beschlossen hatten, auf Antrag der Karlsruher Liste.
Weitere Tatsachenergebnisse aus dem Faktencheck:
–    Die heutige Brücke ist nicht der Grund für Staus, sondern die Verengung der Südtangente westlich Knielingen.
–    Eine zweite Brücke nach derzeitiger Planung verschärft die Stauprobleme.
–    Alle Verkehrsgutachten, eines von der Stadt, andere vom RP in Auftrag gegeben, sehen keine spürbare Entlastung der Südtangente durch die zweite Rheinbrücke, selbst wenn die an die B36 angebunden würde, ja noch nicht mal mit einer Nordtangente.
Diese und weitere Tatsachen sind nachzulesen auf der eigens dafür erstellten Website des zuständigen Landesministeriums, das ich an dieser Stelle auch mal loben will.

Zum Thema Verkehr der Zukunft regt meine Fraktion zudem an, das Thema Elektro-Mobilität über die elektrische Straßenbahn hinaus in Karlsruhe noch eindeutiger anzugehen. Zum einen durch eine e-Mobil-Flotte der Stadt und ihrer Unternehmen, einer Flotte aus Elektrorädern, Elektro-Klein-Pkw und weiterer E-Fahrzeuge.
Zum anderen durch die Stadtwerke und Verkehrsbetriebe: Die ersten sind zuständig für die zukünftige Lade-Infrastruktur, das Elektro-Tankstellennetz; die anderen sind zuständig für den E-Bike-Verleih, um das eigene ÖPNV-Netz zu ergänzen. Eventuell können die VBK auch in Zusammenarbeit mit StadtMobil ein Leihmodell für Elektro-Pkw wie in Ulm umsetzen.

Wohnungsbau und Wohnraum / Stadtentwicklung

Von der Mobilität zu den Immobilien, zu einem Programm für mehr soziale Wohnungen und für Wohnungsbau. In den vergangenen Wochen haben sich entscheidende Mitspieler bei diesem Programm zu Wort gemeldet, wollen anpacken. Aber noch sind das nur Worte. Vieles steht ja schon seit Jahren in den Analysen zum Wohnbedarf. Jetzt heißt es handeln. Bis zum nächsten Haushalt können wir nicht warten: In den jetzigen Haushalt müssen einige Millionen. Dazu brauchen wir keine Bürgerbeteiligung – die Menschen brauchen aktuell eine generationengerechte Investition in die Zukunft.

Der Umgang mit dem steigenden Wohnbedarf steht ja schon im Masterplan der Stadt, im integrierten Stadtentwicklungskonzept. Diesen Prozess der Stadtentwicklung wird der neue Oberbürgermeister fortentwickeln. Denn das ISEK soll über Legislaturperioden hinweg Leitplanken setzen für die Verwaltung und die Stadtpolitik, für den Gemeinderat und für aktive Bürgerinnen und Bürger.

Mit der Bürgerbeteiligung zum ISEK ist die KAL noch nicht zufrieden.
Beim grundsätzlichen Zugang zur Bürgerbeteiligung in Karlsruhe, da hat sich allerdings was getan! Auf der Startseite von karlsruhe.de existiert mittlerweile eine Rubrik
‚Beteiligen Sie sich!’ als zentraler Zugang zu allen Informationen über aktuell laufende Beteiligungsprozesse. Dies hat der Gemeinderat am 24. April 2012 beschlossen, im Konzept zur systematischen Bürgerbeteiligung.

Bei karlsruhe.de als zentralem Bestandteil von „Online-Karlsruhe“ besteht allerdings noch jede Menge Handlungsbedarf: viel Inhalt, zu wenig Plan und Struktur, nur eine Sprache – also deutsch.
Das virtuelle Karlsruhe wirkt konzeptionell veraltet: für social media – kein Konzept. Durchgängig mobile Angebote für Smartphone und Tablets, nicht nur eine nice-to-have-app – nicht zu erkennen. Das sind Hausaufgaben für den zukünftigen OB. Das Geld dazu muss und wird sich im Haushalt finden lassen.

Im real existierenden Karlsruhe sind die Fortschritte deutlicher zu erkennen.
Ich erinnere an den von der Karlsruher Liste eingebrachten Leitgedanken, die Stadteingänge zu stärken, für die Zukunft fit zu machen. Mittlerweile läuft die Planungswerkstatt „Entwicklungsachse Durlacher Allee“ vom Gottesauer Platz bis nach Durlach. Bei öffentlichen Sitzungen liefert das Planungsamt die Grundlagen. Interessierte geben Anregungen und drei Büros planen parallel eine Vision für diesen Stadtraum. Ich hoffe, dass auch mutige, ungewöhnliche Ideen von den Büros und aus der Reihe der Interessierten kommen. „Planungswerkstatt“ – noch eine Form von Bürgerbeteiligung.

Ein Baustein der Entwicklung Durlacher Allee existiert ja bereits: das Erfolgsprojekt Kreativpark, gestartet einst als Kulturinsel, heute mit einem Perfekt Futur als ausgeschlachtetem Kernbau. Der Stolz meiner Fraktion mischt sich mit Sorgen: Die Verantwortlichen dürfen die Randbedingungen für Interessenten im Kreativpark nicht aufweichen. Es geht nicht um eine IT-Hochburg „Alter Schlachthof“, sondern um ein vielseitiges Kreativ-Paradies. Für IT haben wir den Technologiepark.

Dazu passt ein Zitat von der Hamburger Kultursenatorin Prof. Barbara Kisseler:
„Wenn aber die Nachnutzung industrieller oder anderer Brachen rein kommerziellen Zielsetzungen unterworfen wird, dann wird das Klima (auch das atmosphärische Klima) für junge Startups rasch unwirtlich und führt dazu, dass viel die Stadt verlassen.“ Ende des Zitats. Mehr gibt es nicht zu sagen.

Wirtschaftsförderung und Flächenverbrauch

Der Kreativpark und alle Chancen, die die Durlacher Allee bietet, spiegeln auch eine zentrale Herausforderung wider, die mit der Entwicklung von Karlsruhe und hier besonders der wirtschaftlichen Entwicklung verbunden ist: Die Stadt muss auf die Innenentwicklung setzen. Denn Freiflächen sind rar oder dienen für Naherholung, Kleingärten, Frischluftschneisen, Landwirtschaft, Naturschutz oder Wälder als Trinkwasser-Reservoirs.

Die ohnehin nicht üppige Karlsruher Gemarkungsfläche ist begrenzt. Für die Karlsruher Liste zieht diese Ausgangslage mehrere Konsequenzen nach sich:
–    Wir müssen vor allem unsere existierenden Betriebe im Auge haben, denen Erweiterungsoptionen eröffnen
–    Wir müssen bei Gewerbe und Wohnen mehr in die Höhe gehen; als Vorbild dient der init-Neubau
–    Die Stadt muss Gewerbeflächen erwerben, um zusammenhängende Areale neu zu ordnen; Vorbild der KVVH-Geschäftsbereich Rheinhäfen
–    Flächenrecycling und Konversion als strategische Aufgabe begreifen
–    Die Neuansiedlung von Firmen aus flächenfressenden Branchen wie dem Standard-Speditionsgewerbe hat direkt in Karlsruhe keinen Platz
–    kommunenübergreifende Ausweisung von Gewerbe- und Industriegebieten in regionaler Gemeinschaftsverantwortung
–    Zu prüfen: Eine Wirtschaftsförderung in regionaler Trägerschaft, die die Einzelinteressen verschiedener Gemeinden austariert.

Beim Stadtplanungsamt Karlsruhe scheinen diese Überlegungen angekommen zu sein. Als Beleg nenne ich die laufende Fortentwicklung des Flächennutzungsplans. Grundlage ist eine Flächenbedarfsstudie, die im Gegensatz zu früheren Untersuchungen eine realistische Nachfrage unterstellt. Auch das Wirtschaftswachstum hat offensichtlich Grenzen.

Bleibt die Frage, was wir mit ungeeigneten Flächen machen, die in Zeiten des ungebrochenen Wachstumsglaubens erworben wurden, Beispiel Knielingen-West. Die Karlsruher Liste bezweifelt, dass sich diese Flächen in Grundstücke nahe der Autobahn tauschen lassen. Wo denn? Es existiert ein einziges für Wirtschaftsansiedlung geeignetes Großareal in Autobahnnähe. Dieses Areal hat die Stadt- und die Durlacher Politik erstens mit einem Bann für Gewerbe belegt und zweitens soll sich dort der Sportpark Untere Hub ausbreiten.

Die Karlsruher Liste sieht daher die vordringliche Aufgabe, sich auf den nachhaltigen Umgang mit der Fläche (Ziel „Netto-Nullverbrauch“) zu verständigen.

Als Fazit, untermauert durch Statistiken des Landes und der Stadt:
In Karlsruhe leben mittlerweile mehr als 300.000 Menschen. Karlsruhe bleibt für zuziehende Menschen und Betriebe interessant. Auch in Zukunft werden Migranten nach Karlsruhe kommen, viele aus sozialen Gründen.
Arbeit lockt nicht nur Hochausgebildete. Wir brauchen aber vor allem Facharbeiterinnen und Studierte sowie Menschen in sozialen Berufen. Daher brauchen wir gute Ausbildungsstätten.
Und wir wollen Gelegenheiten beim Schopfe packen.

Trotz dieses Fazits hat unsere Stadt immer noch ein Außenbild mit dem zentralen Unwert „Langweilig“.

Dem setzt die Karlsruher Liste folgendes Bild der Fächerstadt entgegen:
Modern, Innovativ, Grün, kulturell erstklassig: einfach lebenswert.
Die Menschen hier baden nicht in Ideen, sondern setzen um, was gebraucht wird, was gut geplant ist, was bezahlbar scheint. Ihre politischen Vertreter in der Bürgervertretung beschließen als Kompromiss oder gar im Konsens, meist unterstützt durch Beteiligungsprozesse.

Das ist überhaupt nicht langweilig. Das ist lebendige Demokratie.

 

 

 

Beitrag teilen: